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WEG – Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens als „Notmaßnahme“

LG Frankfurt – Az.: 2/13 S 55/18 – Beschluss vom 18.04.2019

In dem Rechtsstreit … wird die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, die Berufungsklägerin mag binnen vorgenannter Frist auch mitteilen, ob die Berufung zurückgenommen wird.

Gründe

I.

Die Beklagte war Verwalterin der Klägerin und leitete gegen den Bauunternehmer ein selbständiges Beweisverfahren ein, ohne hierzu von den Eigentümern ermächtigt worden zu sein. Die Eigentümer beschlossen im Anschluss das selbständige Beweisverfahren nicht fortzuführen, daraufhin ist der Antrag zurückgenommen worden. Die entstandenen Kosten macht die WEG nun gegen die Beklagte geltend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie vor allem rügt, das Amtsgericht habe den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG verkannt. Zudem hafte sie nur für grobe Fahrlässigkeit, denn der Verwaltungsvertrag enthalte folgende Klausel „Die Verwaltung hat eine angemessene Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Haftung greift nur bei nachweislich grober Fahrlässigkeit“.

II.

Die Kammer ist einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer aufgrund mündlicher Verhandlung. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.

Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden. Hiergegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg.

Entscheidend ist, ob die Beklagte zur Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens berechtigt war. Die Auffassung des Amtsgerichts, dass der Verwaltervertrag insoweit keine Ermächtigung schafft, wird von der Kammer geteilt. Vorliegend ging es um die Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen aus dem Vertrag zur Errichtung der WEG, dies ist ersichtlich nicht von § 6 des Verwaltervertrages erfasst, der sich mit Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen beschäftigt, so dass es auf die Frage, ob diese Klausel, die eine Verlagerung von Instandhaltungsaufgaben auf den Verwalter ohne Jahresobergrenze vorsieht, wirksam ist (verneinend Kammer ZWE 2018, 38), nicht ankommt.

Maßgeblich ist daher, die Anwendbarkeit des § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass aus dieser Norm alleine eine Vollmacht im Außenverhältnis folgt. Da die Wohnungseigentümer ihre Angelegenheiten selbst verwalten, haben sie die Letztentscheidungsbefugnis, so dass auch bei einer Berechtigung im Außenverhältnis zu handeln, der Verwalter pflichtwidrig handelt, wenn er gegen interne Weisungen verstößt. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Weisungen ist alleine im Anfechtungsverfahren, ggf. unter Beanspruchung von Eilrechtsschutz, zu klären. Zutreffend ist, dass von § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG ausnahmsweise auch Aktivprozesse erfasst sind, wozu auch die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gehören kann (BGHZ 78, 166, 172). Erforderlich ist aber stets, dass es sich um eine Notmaßnahme handelt. Dies sind Maßnahmen, die so plötzlich erforderlich werden, dass es dem Verwalter objektiv unmöglich ist, kurzfristig noch eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen, um über die Maßnahme zu entscheiden. Diese Voraussetzungen liegen bei Gewährleistungsprozessen im Regelfall bereits deshalb nicht vor, weil sich Mängel idR – so auch hier – nicht erst kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zeigen.

Eine Maßnahme wird allerdings nicht dadurch zu einer Notmaßnahme, dass man zugewartet hat und nun ein Gefahreintritt – hier der Verjährung – droht (vgl. nur LG Berlin NZM 2018, 874; Bärmann/Merle § 21 Rn. 10; Jennißen/Heinemann § 21 Rn. 23). Vorliegend hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass bereits mehrfach Gewährleistungsansprüche Gegenstand von Beratungen auf Eigentümerversammlungen waren, zuletzt am 06.10.2014, die Eigentümer sich aber nicht zu einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Bauträgers haben entscheiden können. Damit haben die Eigentümer aber eine Entscheidung getroffen, welche die Beklagte nicht umgehen durfte. Alleine dies steht der Annahme einer Notmaßnahme entgegen (vgl. BayObLG ZWE 2001, 418). Ausweislich der Einladung und des Protokolls zu dieser Versammlung (Bl. 148 ff dA), war hier auch die drohende Verjährung ein Thema gewesen, ausdrücklich wurde sogar eine Rechtsberatung und eine Begehung kurz vor Ablauf der Verjährung ins Auge gefasst. Damit bestand für Notmaßnahmen der Verwaltung kein Raum. Hieran ändert auch nichts, wenn die Eigentümer offenbar zunächst der Ansicht waren, die Restmängel an der Heizung durch die Heizungsarbeiten durch eine Drittfirma beseitigen zu können. Dass dies nicht den gewünschten Erfolg hatte, wusste die Beklagte spätestens seit der Mail des Gesundheitsamtes vom 23.03.2015, in der auf eine weiter bestehende Legionellengefahr hingewiesen wurde. Dann hätte sie unverzüglich eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen gehabt. Spätestens mit Eingang der Mail vom 18.06.2015, in welcher auf weitere Mängel der Heizungsanlage hingewiesen wurde, hätte hierzu letzte Veranlassung bestanden, die Zeit bis zum Verjährungsbeginn (07.07.2015) hätte hierzu auch gereicht. Dass die Beklagte den Verjährungszeitpunkt angeblich nicht kannte, entlastet sie nicht, denn angesichts der Tatsache, dass bereits seit 2014 die Verjährung von Ansprüchen im Raum stand, hätte hierzu zwingend Klarheit geschaffen werden müssen.

Die Beklagte handelte auch schuldhaft. Das Verhalten dürfte bereits grob fahrlässig gewesen sein, allerdings kommt es darauf nicht an, denn auf die Regelung in § 8 des Verwaltervertrages kann sich die Beklagte nicht berufen, da diese unwirksam ist. Denn es handelt sich insoweit bei dem Verwaltervertrag mindestens um einen Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB, auf den die Vorschriften der §§ 307 – 309 BGB anzuwenden sind. Denn die WEG ist Verbraucherin, wenn ihr – wie hier – wenigstens ein Verbraucher angehört (BGH NJW 2015, 3228). Einer Prüfung am Maßstab der §§ 307 ff. BGH hält diese Klausel offensichtlich nicht stand. Generelle Freizeichnungsklauseln für einfache Fahrlässigkeit sind bereits nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam. Dies bereits deshalb, weil in der Klausel keine Ausnahme für Körper- und Gesundheitsschäden vorgesehen ist (vgl. nur BGH NJW-RR 2015, 738; Ulmer/Brandner/Hensen/Christensen, AGB-Recht, § 309 Nr. 7 Rn. 27 mwN). Darüberhinaus verstößt die Klausel gegen § 309 Nr. 12 BGB, denn durch das Wort „nachweislich“ wird die Beweislast auf den Verwendungsgegner verlagert, insoweit wird hier eine von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Beweislast vereinbart, dies ist in Verbraucherverträgen nicht zulässig (vgl. nur Ulmer/Brandner/Hensen/Christensen, AGB-Recht, § 309 Nr. 12 Rn. 10; BeckOGK/Weiler, 1.1.2019, BGB § 309 Nr. 12 Rn. 42; jew. mwN).

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