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WEG – Einsichtsrecht des Wohnungseigentümers in Verwaltungsunterlagen

LG Frankfurt, Az.: 2/13 S 13/14, Beschluss vom 20.06.2016

1. Es wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 16.12.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main (Az.: 330 C 85/13) nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.12.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main (Az.: 330 C 85/13) hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1.

Die Berufung ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht schon unzulässig. Die Begründung der Berufung erfolgte durch die Beklagte innerhalb der durch die Vorsitzende der Kammer mit Verfügung vom 15.04.2014 (Bl. 127 d.A.) bis zum 24.03.2014 verlängerten Frist, § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO.

2.

Die Berufung ist nach Auffassung der Kammer aber unbegründet. Das Amtsgericht hat der Klage – soweit sie Gegenstand der Berufung ist – zu Recht stattgegeben.

Dem Kläger fehlt für die gerichtliche Durchsetzung seines Anspruchs Einsicht in die Verwaltungsunterlagen des Abrechnungsjahres 2003 bei der WEG-Verwaltung zu nehmen – entgegen der Meinung der Beklagten – nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Selbst wenn der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach Einsicht in die bei der Beklagten vorhandenen Unterlagen genommen hat, ist dadurch nicht belegt, dass seinem Informationsbedürfnis betreffend der noch streitgegenständlichen Unterlagen bereits (vollständig) entsprochen worden ist. Soweit die Beklagte mit ihrem Hinweis auf die bereits erfolgten Einsichtnahmen durch den Kläger eine Erfüllung des Einsichtsanspruchs geltend machen wollte, so stehen diesem materiellen Einwand nach § 362 Abs. 1 BGB ebenfalls der vorgenannte Grund entgegen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 05. Oktober 2011 – 318 S 7/11 –, juris).

Soweit der Kläger mit seiner Klage nicht nur die eigene Vornahme der Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangt, sondern jene im Beisein der weiteren Eigentümerin S. O. und eines Rechtsanwalts begehrt, ist seine Klage jedenfalls nicht deswegen unzulässig, weil er damit – ohne vorherige Ermächtigung – fremde Rechte verfolgt (sog. gewillkürte Prozessstandschaft), sondern eigene. Es geht dem Kläger insoweit zwar nicht um die Einsichtnahme durch einen anderen Wohnungseigentümer für ihn und an seiner Stelle. Vielmehr soll die Eigentümerin … gemeinsam mit dem Kläger unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Einsicht nehmen. Es handelt sich dennoch nicht um einen Fall einer gewillkürten Prozessstandschaft, weil der Kläger geltend macht, nach materiellem Recht umfasse sein Anspruch auf Einsichtsgewähr auch noch die Möglichkeit, weitere Personen zur Vornahme der Einsicht hinzuziehen zu dürfen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 05. Oktober 2011 – 318 S 7/11 –, juris). Die Auffassung des Klägers trifft auch zu. Von dem Recht des Klägers Einsicht in die Verwaltungsunterlagen zu nehmen ist aus den von ihm vorgetragenen, nachvollziehbaren Gründen auch gedeckt, sich der Unterstützung und Hilfe einer weiteren Eigentümerin aus der Gemeinschaft sowie eines Rechtsanwalts zu bedienen. Konkrete Gefahren für den störungsfreien Geschäftsbetrieb, die von der Hinzuziehung einer weiteren Eigentümerin sowie eines Rechtsanwalts – auch unter Berücksichtigung der dann gegebenen Gesamtzahl von drei Personen, die Einsicht nehmen – hat die Beklagte nicht dargetan; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.

Auch im Übrigen verfangen die Angriffe der Berufung nicht. Jeder einzelne Wohnungseigentümer – so auch der Kläger – hat nach §§ 675, 666 BGB i.V.m. dem Verwaltervertrag einen Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche Verwaltungsunterlagen, insbesondere in die Aufzeichnungen und Belege der Abrechnung sowie in die Einzelabrechnungen der übrigen Wohnungseigentümer (Niedenführ, WEG, Kommentar, 11. Auflage, § 28, Rn. 150; Bärmann, WEG, Kommentar, 12. Auflage, § 26, Rn. 132). Das Einsichtsrecht dient auch der Überprüfung der Verwaltertätigkeit; es unterliegt keinen Voraussetzungen. Selbst nachdem die Jahresabrechnung bereits genehmigt ist und/oder dem Verwalter Entlastung erteilt worden ist, kann jeder Wohnungseigentümer noch Einsicht in die Belege nehmen. Dies gilt nicht nur, wenn der Verwalter vor der Beschlussfassung erfolglos zur Gestattung der Einsicht aufgefordert worden war, oder wenn die Anfechtungsfrist noch läuft oder wenn die Belege in einem gerichtlichen Verfahren benötigt werden, sondern grundsätzlich in jedem Fall, ohne dass der Wohnungseigentümer dem Verwalter ein besonderes berechtigtes Interesse darlegen müsste (Niedenführ, WEG, Kommentar, 11. Auflage, § 28, Rn. 150). Auf eine Verjährung von etwaigen Ansprüchen des Klägers auf Auszahlung aus dem Abrechnungsjahr 2003 kommt es daher für die Frage der Berechtigung der Einsichtnahme nicht an.

Die Beklagte kann sich gegenüber dem geltend gemachten Einsichtsrecht auch nicht auf tatsächliche Schwierigkeiten berufen, die ihr durch das Heraussuchen der streitgegenständlichen Unterlagen für das Abrechnungsjahr 2003 entstehen. Eine Grenze für das Einsichtsrecht bilden allein das Schikaneverbot und Treu und Glauben, wofür vorliegend nichts ersichtlich ist. Auf die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil wird insoweit Bezug genommen.

Dass die Beklagte dem Kläger während des hiesigen Rechtsstreits mit Schreiben vom 15.11.2013 zwei Termine zur Einsichtnahme angeboten hat, lässt den mit der Klage verfolgten Anspruch des Klägers nicht entfallen. Denn die Beklagte hat den noch streitgegenständlichen Anspruch damit nicht etwa anerkannt. Sie hat vielmehr weiter – auch noch in der Berufung – die Auffassung vertreten, dass ein Einsichtsrecht in die Unterlagen des Abrechnungsjahres 2003 nicht bestehe. Der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 05.08.2015, wonach dem Kläger am 28.04.2015 alle Unterlagen mit Ausnahme der „Zähllisten für die Berechnung der Ergebnisse der (offen durchgeführten) Abstimmungen“ vorgelegt worden seien, ist – nachdem derartige Zähllisten nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind – nicht nachvollziehbar. Die aus einer – nicht näher dargelegten – Beschlagnahme der Verwaltungsunterlagen des Abrechnungsjahres 2003 etwaig resultierende vorübergehende Verhinderung der Beklagten, dem streitgegenständlichen Recht auf Einsichtnahme des Klägers nachzukommen, berührt das Bestehen seines Anspruchs nicht.

Die Berufung hat aus diesen Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert gleichfalls keine Entscheidung durch das Berufungsgericht. Eine mündliche Verhandlung ist ebenso wenig geboten.

Es wird anheimgestellt, eine Rücknahme der Berufung zur Vermeidung zusätzlicher Kosten in Erwägung zu ziehen.

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