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WEG – Gabionenwand – bauliche Veränderung oder grundlegende Umgestaltung?

LG München I – Az.: 36 S 613/22 WEG – Urteil vom 22.09.2022

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Landshut vom 22.12.2021, Az. 14 C 978/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf Euro 12.288,46 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten und Eigentümerin der Wohnung Nr. 2 mit Balkon im 1. OG des Anwesens ### Unterhalb der Einheit der Klagepartei befindet sich im Erdgeschoss des Anwesens die Wohnung Nr. 1 des Miteigentümers ###, der ein Sondernutzungsrecht an der Terrasse Nr. 1 und der Gartenfläche So1 zugewiesen ist.

In der Teilungserklärung vom 19.12.1997 (Anl. K 7) heißt es auszugsweise:

„§ 1 Nr. 7 GO (Anl. K 7):

„Die auf dem Grundstück eingerichteten Terrassenflächen können als Hausterrassen genutzt und angepasst an die allgemeine gärtnerische Gestaltung bepflanzt werden. Jeder Sondernutzungsberechtigte ist verpflichtet, seinen jeweiligen Gartenanteil auf eigene Kosten als Nutz- und Ziergarten anzulegen und stets zu unterhalten. Auf den Terrassenflächen und den jeweiligen Gartenanteilen sich befindliche Zierpflanzen dürfen eine Höhe von 2,00 m nicht überschreiten“

(…)

§ 1 Nr. 10 GO:

„Die jeweiligen Eigentümer der Wohneinheiten Nrn. 1 und 4 sind berechtigt – vorbehaltlich einer eventuellen baurechtlichen Genehmigung und nach Maßgabe der baulichen Vorschriften – ihren jeweiligen Terrassenanteil Nr. 1 bzw. Nr. 4 als verglasten Wintergarten auszubauen. Die Wintergärten sind dabei so anzulegen, dass sie im Verhältnis zueinander sowie im Verhältnis zu dem gesamten Wohnobjekt ein optisch einheitliches Bild ergeben“.

Im Sommer 2019 errichtete der Miteigentümer ### eigenmächtig auf der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Grundstücksfläche Terrasse Nr. 1 eine Gabionenmauer mit abgestufter Höhe: Die Mauer wies über die gesamte Frontbreite im Erdgeschoss (ca. 6,60 m) eine Höhe von ca. 0,80 m sowie entlang des Zugangs zur Eingangstür (ca. 3,25 m) stufenartig eine Höhe von zunächst 1,33 m und sodann – unterhalb des klägerischen Balkons – von 1,80 m auf. Zuvor befand sich an Stelle der Gabionenmauer eine Ligusterhecke.

Die Klägerin erhob daraufhin gegen den Miteigentümer ### Beseitigungsklage vor dem AG Landshut (Az.14 C 1364/20). Im Laufe dieses Verfahrens schrieb das Amtsgericht Landshut die Hausverwaltung am 17.05.2021 an und bat unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil vom 07.05.2021, Az. V ZR 299/19, um Mitteilung, ob die GdWE das anhängige Verfahren übernehme oder der Klagepartei die Fortführung des Prozesses untersage. Die Hausverwaltung lud mit Schreiben vom 04.06.2021, berichtigt mit Schreiben vom 07.06.2021, zur außerordentlichen Eigentümerversammlung am 29.06.2021 (Anl. K 3), auf der mehrheitlich die folgenden streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst wurden:

TOP 1:

„Die Eigentümergemeinschaft ist nicht gewillt, der Wohnungseigentümerin ### die Klage- bzw. Prozessführungsbefugnis zu überlassen und untersagt Frau ### die Fortführung des Prozesses“

TOP 2:

„Herr ### wird die errichtete Gabionenwand genehmigt, unter der Voraussetzung, dass diese auf das Maß der Vorderseite, somit auf ca. 70 cm, gekürzt und diese mittels einer weiß gestrichenen Sichtschutzwand aus Holz in Höhe von ca. 160 bis max. 180 cm verkleidet wird“

Die Beseitigungsklage wurde daraufhin vom AG Landshut abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die hiesige Klägerin Berufung vor dem LG München I eingelegt (Az. 1 S 9699/21 WEG). In der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2022 haben die Parteien auf rechtlichen Hinweis der Kammer die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Beseitigungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt, und mit Urteil vom 20.07.2022 ist der Beklagte ### verurteilt worden, an die Klägerin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen. Die Kosten für beide Instanzen wurden vollumfänglich der Beklagtenpartei auferlegt.

Zwischenzeitlich hat der Miteigentümer ### die Gabionenwand gekürzt und eine weiß gestrichene Sichtschutzwand aus Holz entlang des Zugangs zum Hauseingang angebracht (vgl. B 3). Die Sichtschutzwand hat er dabei an einer Gitterwand befestigt, die zuvor Teil der Gabionenwand war.

Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen die vorgenannten Beschlüsse zu TOP 1 und 2 aus der Eigentümerversammlung vom 29.06.2021.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der in 1. Instanz gestellten Anträge wird im Übrigen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils vom 22.12.2021 (Bl. 44/51 d.A.) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat mit Endurteil vom 22.12.2021 die Klage abgewiesen. Der zu TOP 1 gefasste Beschluss sei durch die Erläuterungen in der Einladung und im Protokoll hinreichend bestimmt, die Beschlusskompetenz sei gegeben, da nicht auch die Prozessführungsbefugnis der Klägerin bzgl. der Beeinträchtigung ihres Sondereigentums entzogen werden solle, was sich im Wege der Auslegung ergebe. Der Beschluss sei vom Ermessensspielraum der Eigentümer gedeckt. Die Gabionenwand habe durch den zu TOP 2 gefassten Beschluss mit einfacher Mehrheit genehmigt werden können. § 20 Abs. 4 WEG stehe nicht entgegen, da weder eine grundlegende Umgestaltung noch eine unbillige Benachteiligung gegeben sei. Ein Verstoß gegen § 7 Nr. 1 GO erfolge ebenfalls nicht.

Gegen dieses, der Klagepartei am 27.12.2021 zugestellte Urteil hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 18.01.2022, eingegangen beim Berufungsgericht am selben Tag, Berufung eingelegt und die Berufung sodann mit Schriftsatz vom 25.02.2022 (Bl. 61/72 d.A.) begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter.

Sie begründet ihre Berufung im wesentlichen – neben der umfassenden Bezugnahme auf die Anfechtungsbegründung – wie folgt:

„Die Auslegung des Beschlusses zu TOP 1 durch das Erstgericht sei fehlerhaft, der Klagepartei solle mit TOP 1 die gesamte Prozessführung untersagt werden, auch bzgl. der Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums. So habe auch das Amtsgericht den Beschluss im Beseitigungsverfahren ausgelegt und die Klage abgewiesen. Dass das erstinstanzliche Gericht im vorliegenden Anfechtungsverfahren den Beschluss zu TOP 1 nun so auslege, dass die Prozessführungsbefugnis bzgl. der Beeinträchtigung des Sondereigentums nicht entzogen werden solle, sodass die Klagepartei erneut unterliege, lege vor dem Hintergrund, dass der Miteigentümer ### als Wachtmeister beim LG … tätig sei, die Besorgnis der Befangenheit nahe. Der Beschluss sei auch unbestimmt, und dies könne durch Angaben im Einladungsschreiben nicht geheilt werden.“

Bzgl. des zu TOP 2 gefassten Beschlusses ergebe ein Umkehrschluss zu § 20 Abs. 2 WEG, dass eine unbillige Benachteiligung gerade dann vorliege, wenn die beschlossene Maßnahme – wie hier – zu einem Sicherheitsdefizit führe und die Einbruchsgefahr erhöhe. Die Gitter der Gabionenwand, an der der Sichtschutz nun angebracht seien, ermöglichten es nach wie vor, leichter auf den Balkon der Klagepartei einzusteigen. Der Beschluss verstoße auch gegen die Gemeinschaftsordnung, die nicht nur die gärtnerische Bepflanzung der Terrassen und die Nutzung des Gartens regele, sondern auch verbindliche Vorgaben für bauliche Veränderungen enthalte: diese sollten mit Ausnahme verglaster Winterbalkone nicht erlaubt sein. Die GO gelte hier als Altvereinbarung gem. § 47 WEG weiter, da der eindeutige Wille der Eigentümer erkennbar sei, dass die Terrassenflächen nur bepflanzt, aber nicht bebaut werden dürften.

Die Klägerin beantragt, das Endurteil des AG Landshut vom 22.12.2021, Az. 14 C 978/21, aufzuheben und die Beschlüsse der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG ### vom 29.06.2021 zu TOP 1 und Top 2 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil und vertreten im wesentlichen die folgende Ansicht:

Die Klagepartei greife ohne Bezug zur Vorgeschichte des richterlichen Hinweises aus dem Parallelverfahren nur die bloße, textliche Ausgestaltung von TOP 1 an. TOP 1 könne in Kenntnis dieses richterlichen Hinweises nur so zu verstanden werden, wie es das erstinstanzliche Gericht tue, und alle Beteiligten hätten in Kenntnis des richterlichen Hinweises gehandelt. Hinsichtlich des zu TOP 2 gefassten Beschlusses sei zu berücksichtigen, dass die Höhe der Mauer verringert worden sei, um dem Sicherheitsbedürfnis der Klagepartei zu genügen, ein Sicherheitsrisiko bestehe nun nicht mehr. Dies habe das Amtsgericht in richterlichem Ermessen durch Inaugenscheinnahme von Fotos der jetzigen Mauersituation festgestellt, und richterliches Ermessen sei als solches gem. § 529 ZPO nicht berufungsfähig. Dies gelte auch für die Frage einer grundlegenden Umgestaltung. Ob eine solche vorliege, sei eine Wertungsfrage, die nicht von den Regelungen der GO abhängig sei. Die GO habe keine Ausschließlichkeitsfunktion, der von der Klagepartei gezogene Umkehrschluss sei nicht möglich.

Die Kammer hat zur Sache am 11.08.2022 mündlich verhandelt und den Parteien Hinweise erteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2022 verwiesen (Bl. 88 / 93 d.A.).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2022.

II.

Die Berufung der Klagepartei ist zulässig, aber in der Sache nicht erfolgreich.

1. Die Berufung der Klagepartei wurde frist- und formgerecht gemäß §§ 517, 519 ZPO und unter Beachtung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt.

2. Die Berufung ist nicht begründet, die klageabweisende Entscheidung des AG Landshut ist i.E. zutreffend. Die Beschlussklage ist bzgl. des zu TOP 1 gefassten Beschlusses mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, und bzgl. des zu TOP 2 gefassten Bschlusses zwar zulässig, aber unbegründet.

2.1. Die Klage ist zulässig, soweit der zu TOP 2 gefasste Beschluss angefochten wird; insbesondere ist die GdWE gem. § 44 Abs. 2, S. 1 WEG richtige Beklagte.

2.2. Soweit mit der Beschlussklage der zu TOP 1 gefasste Beschluss angefochten wird, fehlt der Klage das Rechtsschutzbedürfnis; sie ist unzulässig.

a) Da Beschlussklagen nach der Rspr. des BGH nicht nur dem persönlichen Interesse des Klägers dienen, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung, genügt zwar grds. das Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsmäßige Verwaltung (§ 18 Abs. 2 WEG) zu erreichen (BGHZ 156, 19 = NZM 2003, 764; BGH NJW 2018, 552 Rn. 4); ein (besonderes) Rechtschutzbedürfnis ist regelmäßig nicht zu prüfen. Es ist nicht einmal erforderlich, dass der Eigentümer durch den Beschluss persönlich betroffen ist oder gar Nachteile erleidet (BGHZ 156, 19 = NZM 2003, 764; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 62. Ed. 1.5.2022, WEG § 44 Rn. 19).

In aller Regel erledigt sich die Anfechtungsklage auch mit der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses nicht. Das Rechtsschutzbedürfnis geht – mit der Folge nachträglicher Unzulässigkeit der Anfechtungsklage – nur dann verloren, wenn sicher feststeht, dass Ansprüche des Klägers auf Folgenbeseitigung, Freistellung oder Schadensersatz und damit Auswirkungen auf Folgeprozesse infolge der möglichen Bindungswirkung einer Entscheidung über die Anfechtungsklage nicht bestehen (BGH ZWE 2012, 334 (335); NZM 2011, 551; LG Berlin ZMR 2017, 498; LG Frankfurt a. M. NJW 2015, 1767; ZMR 2015, 959; ZMR 2014, 305; LG München I ZMR 2012, 579; ZWE 2011, 280 (281); LG Hamburg ZMR 2012, 388; LG Köln ZWE 2012, 230; Bonifacio ZMR 2010, 163 (166)); vgl. auch LG Düsseldorf ZMR 2016, 389 (390): kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein Erfolg der Anfechtungsklage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft keinerlei Nutzen bringen kann). Im Hinblick auf den bestehenden Folgenbeseitigungsanspruch ist dies nur in Ausnahmefällen anzunehmen (BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 62. Ed. 1.5.2022, WEG § 44 Rn. 22).

b) Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Der zu TOP 1 gefasste Beschluss wurde dadurch vollzogen, dass dem Gericht im Beseitigungsverfahren mitgeteilt wurde, dass die GdWE der Klägerin die Fortführung des Prozesses untersagt. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, und der Klagepartei wurden im Urteil des LG München I vom 20.07.2022 die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten komplett zugesprochen; die geringe Differenz zwischen dem mit dem Klageantrag verlangten Betrag (Euro 565,66) und dem ausgeurteilten Betrag (Euro 550,42) ist lediglich darauf zurückzuführen, dass Umsatzsteuer nur in Höhe des für die Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 ermäßigten Satzes von 16% angefallen war. Die Kosten des Rechtsstreits in der 1. und 2. Instanz wurden ebenfalls dem Beklagten des Beseitigungsverfahrens ### auferlegt. Weitere Schadensersatzansprüche in Hinblick darauf, dass die Klägerin wegen der Intervention des Verwalters in Vollzug des Beschlusses zu TOP 1 ihre Klage nicht zu Ende führen konnte, sind nicht ersichtlich.

2.3. Die Anfechtungsklage gegen den zu TOP 2 gefassten Beschluss ist nicht begründet. Der Beschluss verstößt nicht aus den fristgerecht innerhalb der materiellrechtlichen Ausschlussfrist des § 45 S. 1 WEG vorgetragenen Gründen gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 WEG ist nicht gegeben; die genehmigte bauliche Maßnahme bedingt keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage und benachteiligt die Klagepartei auch nicht unbillig.

a) Es handelt sich bei der genehmigten baulichen Maßnahme um eine bauliche Veränderung i.S. einer auf Dauer angelegten gegenständlichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die von der Bewahrung des im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustands und der bestehenden Form abweicht und über eine ordnungsgemäße Erhaltung hinausgeht (MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 20).

b) § 20 Abs. 1 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz, bauliche Veränderungen mit einfacher Mehrheit einem Wohnungseigentümer zu gestatten. Für die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung kommt es nach § 20 Abs. 1 WEG im Gegensatz zur bis 30.11.2020 geltenden Rechtslage nicht mehr darauf an, ob die davon benachteiligten Wohnungseigentümer der baulichen Veränderung zustimmen; es reicht vielmehr die einfache Mehrheit.

§ 20 Abs. 4 WEG statuiert absolute Grenzen für Beschlüsse über bauliche Veränderungen gem. Abs. 1. Danach sind bauliche Veränderungen unzulässig, wenn diese die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen.

§ 20 Abs. 4 WEG hat Ausnahmecharakter, was bei der Auslegung im Einzelfall zu berücksichtigen ist (BeckOGK/Kempfle, 1.6.2022, WEG § 20 Rn. 1).

c) Der Begriff der „grundlegenden Umgestaltung“ wird weder legaldefiniert, noch ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, wann eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage i.S.v. § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG anzunehmen ist. Hierzu ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Gestaltung der Wohnanlage vor und nach der im Streit stehenden baulichen Veränderung objektiv zu vergleichen (objektiver Vorher-Nachher-Vergleich). Bezugspunkt ist dabei die Anlage als Ganzes. Daher ist jedenfalls kein Fall des § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG gegeben, wenn durch die bauliche Veränderung zwar ein bestimmter Teilbereich für sich allein betrachtet, nicht aber die Wohnanlage als Ganzes grundlegend umgestaltet wird. Da in jeder baulichen Veränderung eine Umgestaltung liegt, ist zu prüfen, ob diese so starke Auswirkungen hat, dass sie der Wohnanlage ein neues Gepräge gibt. Nur dann liegt auch eine „grundlegende“ Umgestaltung i.S.v. § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG vor. Bloße Disharmonien und die optische Veränderung als solche reichen dafür nicht. Entscheidend ist, ob der Eingriff in die äußere Gestalt der Wohnanlage so krass ist, dass er das Gesicht bzw. das charakteristische Aussehen der Wohnanlage als Ganzes verändert (BeckOGK/Kempfle, 1.6.2022, WEG § 20 Rn. 208 ff).

Diese hohen Anforderungen werden hier durch die Genehmigung einer Gabionenwand i.H.v. 70 cm, verkleidet mit einer Sichtschutzwand aus Holz i.H.v. max. 1,80 m, im Sondernutzungsbereich (nur) einer EG – Wohnung bei weitem nicht erfüllt.

d) Auch eine unbillige Benachteiligung der Klagepartei ist mit der mehrheitlich genehmigten Maßnahme nicht verbunden. Abzustellen ist insoweit weder auf die zunächst eigenmächtig errichtete „stufenförmige“ Gabionenwand, noch auf die mittlerweile abgeänderte Gabionenwand, sondern allein auf die mit Beschluss zu TOP 2 genehmigte Maßnahme.

aa) Voraussetzung für die Annahme einer unbilligen Benachteiligung ist, dass einem Betroffenen Nachteile zugemutet werden, die bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den bei der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer nicht abverlangt werden dürfen. Zudem muss die bauliche Veränderung zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung führen, indem Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den Übrigen („treuwidrige Sonderopfer“, vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap.6, Rz. 59; BeckOK WEG/Elzer, 49. Ed. 1.7.2022, WEG § 20 Rn. 151).

bb) Der Begriff „Benachteiligung“ ist erheblich restriktiver auszulegen als eine bloße Beeinträchtigung i.S.v. § 20 Abs. 3 WEG (s. LG Frankfurt a. M. NJOZ 2019, 1467 Rn. 21; Lehmann-Richter/Wobst WEG-Reform 2020 Rn. 1026 ff.). Auf subjektive Befindlichkeiten kommt es nicht an. Zu fragen ist, ob sich jeder beliebige Sondereigentümer beeinträchtigt fühlen würde und dürfte (BeckOK WEG/Elzer, 49. Ed. 1.7.2022, WEG § 20 Rn. 152).

cc) Die Klagepartei bezieht sich insoweit nach Auffassung der Kammer bereits nicht auf eine optische Beeinträchtigung, worauf aber das Amtsgericht eingeht. Insoweit liegt jedenfalls kein „Sonderopfer“ vor, da Änderungen des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage i.d.R. – und so auch hier, da die bauliche Maßnahme sich auf einer direkt neben dem Zugangsweg zum Hauseingang belegenen Fläche befindet – alle Wohnungseigentümer in gleichem Maße beeinträchtigen (vgl. BeckOGK/Kempfle, 1.6.2022, WEG § 20 Rn. 231).

dd) Soweit die Klagepartei sich auf ein aus der baulichen Maßnahme für sie resultierendes Sicherheitsdefizit bezieht, sieht die Kammer darin zwar grundsätzlich einen denkbaren Ansatzpunkt für eine unbillige Beeinträchtigung.

Der entsprechende Vortrag der Klagepartei zu den Voraussetzungen, bezogen auf die mit TOP 2 genehmigte bauliche Maßnahme (nicht auf die zuvor infolge der eigenmächtig errichteten stufenförmigen Gabionenwand bzw. infolge der zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen gegebene Situation), ist aber unschlüssig.

Die Klagepartei führt insoweit aus, dass über „die errichtete Steinmauer“ jeder unbefugte Dritte auf ihren Balkon gelangen könne und die Mauer eine „Einladung“ sei, in ihre Wohnung einzusteigen, was sie bereits im Beseitigungsverfahren gegen den Miteigentümer ### vorgetragen und woran sich durch beschlossenen abgeänderten Maße nichts geändert habe. Dies trifft allerdings nicht zu. Die Kammer teilt den Vortrag der Klagepartei (lediglich) in Bezug auf die Mauer in der ursprünglichen, eigenmächtigen Ausgestaltung, bei der eine breite Gabionenwand von 0,80m „stufenförmig“ über eine Höhe von 1,33m bis zu einer Höhe von 1,80m bis direkt unterhalb des Balkons der Klagepartei führte. Eine Mauer in dieser Ausgestaltung wird aber durch den Beschluss zu TOP 2 nicht genehmigt. Der Vortrag der Klagepartei persönlich hierzu, der ohnehin erst in der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte, bezieht sich (nur noch) auf das Drahtgitter, das Teil der ursprünglichen hohen Gabionenwand war und an dem die Sichtschutzwand nunmehr vom Miteigentümer ### befestigt wurde. Auch ein solches aber wird durch den Beschluss zu TOP 2 nicht genehmigt. Die Genehmigung in TOP 2 sieht vielmehr eine Gabionenwand nur noch mit einer einheitlichen Höhe von 70 cm vor, lediglich die zusätzlich genehmigte hölzerne Sichtschutzwand darf eine Höhe von 1,80 m erreichen. Wieso „jedermann“ über eine solche niedrige Gabionenwand, ggf. in Kombination mit einer bloßen Sichtschutzwand, „problemlos“ in die klägerische Wohnung eindringen können sollte, erschließt sich nicht, hierzu trägt die Klagepartei nichts vor. Es bleibt unklar, wieso die aufgrund der Lage der Wohnung und des Balkons in der Anlage ohnehin gegebene Einbruchsgefahr gerade infolge dieser genehmigten baulichen Maßnahmen signifikant steigen sollte.

e) Ein Verstoß gegen die Regeln der GO ist mit dem Beschluss zu TOP 2 nicht verbunden.

aa) Die Klagepartei leitet aus der Regelung in § 1 Nr. 7 GO ab, dass – da die Regelung Aussagen lediglich über die Bepflanzung und nicht über die Errichtung von Steinwänden trifft – die dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Terrassenflächen nur bepflanzt und nicht bebaut werden dürfen.

bb) Der Regelung lässt sich ein entsprechender Sinngehalt bei der gebotenen objektiv – normativen Auslegung aber nicht entnehmen. Danach ist maßgebend auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegend ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGH, ZWE 2013, 29 Rn. 7, beckonline).

Diese Maßstäbe zugrundegelegt ist nicht davon auszugehen, dass mit § 1 Nr. 7 GO über die Regelung der Bepflanzung hinaus auch inzident Regelungen über bauliche Veränderungen/Einfriedungen getroffen und diese durch bloßes Nichterwähnen ausgeschlossen werden sollen. Dagegen spricht bereits die Regelung in § 1 Ziff. 10, die sogar eine Berechtigung zum Ausbau der Terrassenfläche als Wintergarten und damit eine weitaus gravierendere bauliche Veränderung vorsieht.

§ 1 Nr. 7 verhält sich vielmehr bei objektiv – normativer Auslegung zur Frage der baulichen Veränderungen überhaupt nicht.

2.4. Lediglich ergänzend, da nicht mehr entscheidungserheblich, ist darauf hinzuweisen, dass die Anfechtungsklage gegen den zu TOP 1 gefassten Beschluss auch unbegründet wäre, da der Beschluss nicht nichtig ist und auch nicht aus den fristgerecht innerhalb der materiell – rechtlichen Ausschlussfrist des § 45 S. 1 WEG vorgetragenen Gründe den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.

a) Der Beschluss ist nicht wegen Unbestimmtheit nichtig oder anfechtbar.

aa) Verstöße gegen den Grundsatz, dass Beschlüsse einen vollziehbaren Inhalt haben müssen, können zur Nichtigkeit oder aber auch nur zur Anfechtbarkeit führen. Fehlt einem Eigentümerbeschluss die zur rechtlichen Beachtlichkeit erforderliche Bestimmtheit, lässt er also nicht aus sich heraus genau klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen, was gilt, so führt dieser Mangel dann zur Nichtigkeit, wenn die Unbestimmtheit auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht („Perplexität“), die auch durch Auslegung nicht behoben werden kann. Lässt der Beschluss jedoch noch eine durchführbare Regelung erkennen, so führt der Mangel nur zur Anfechtbarkeit (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 23 Rn. 69).

bb) Der zu TOP 1 gefasste Beschluss ist nicht inhaltlich widersprüchlich und lässt eine durchführbare Regelung erkennen.

cc) Die Problematik, dass im Beschlusstext nur „der Prozess“ und die Klagepartei als Klägerin genannt werden und sich als weitere Information aus dem Protokoll nur ergibt, dass das Verfahren zwischen der Klagepartei als Klägerin und dem Miteigentümer ### geführt wird („Beschlussfassung zum Gerichtsverfahren ### ./. ###), lässt sich durch eine Auslegung unter Heranziehung des Einladungsschreibens vom 04.06.2021 (Anl. K 1) lösen.

(1) Beschlüsse sind als mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art wie jedes andere Rechtsgeschäft der Auslegung fähig und ggf. einer Auslegung bedürftig. Es gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze nach §§ 133, 157 BGB, wobei aber dem objektiven Empfängerhorizont besondere Bedeutung zukommt. Die den Willen der Gemeinschaft bildenden Beschlüsse binden nämlich auch die Wohnungseigentümer, die den Beschluss nicht mit gefasst haben und ggf. bei der Beschlussfassung gar nicht anwesend waren, sowie gemäß § 10 Abs. 3 WEG die Sonderrechtsnachfolger.

(2) Um sich über den Inhalt und die Reichweite dessen, an was er durch den Beschluss gebunden ist, zu informieren, kann sich ein späterer Erwerber von Wohnungseigentum, aber auch ein Wohnungseigentümer im Wesentlichen nur an dem – in der Niederschrift und der Beschluss-Sammlung dokumentierten – Inhalt des Beschlusses selbst orientieren. Es besteht daher ein Bedürfnis, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen unmittelbar der Beschlussformulierung selbst entnehmen zu können. Die Auslegung von Beschlüssen hat daher wie diejenige von Grundbucherklärungen und wie die von im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen der Wohnungseigentümer zu erfolgen. Beschlüsse sind aus sich heraus – objektiv und normativ – auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten ankommt. Maßgebend für die Auslegung ist der objektive Inhalt und Sinn eines Beschlusses, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Beschlusswortlauts ergibt. Auszugehen ist dabei von dem tatsächlichen Wortlaut, der sich i.d.R. aus der Niederschrift und der Beschluss-Sammlung ergibt. Gibt es für die Auslegung eines Beschlusses Umstände, die keinen Eingang in seinen Wortlaut gefunden haben, dürfen diese nur dann herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind oder wenn der Beschluss auf sie Bezug nimmt. Solche Umstände können sich etwa aus der Niederschrift ergeben, wenn in dieser über den bloßen Beschlussinhalt hinausgehende Erklärungen beurkundet sind.

(3) Auch das Einladungsschreiben kann – trotz seiner fehlenden Dokumentation – zur Auslegung ausnahmsweise herangezogen werden, wenn der Beschluss – wie hier – keine Dauerwirkung entfaltet. Nachträgliche Erläuterungen sowie Sonderwissen von Verwalter oder Eigentümern (wie hier etwa, dass laut Ersturteil „dies zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der einzige Prozess der Klägerin war“) können hingegen bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden (vgl. Schultzky in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 23 WEG, Rn. 75).

dd) In dem Einladungsschreiben finden sich unter zu TOP 1 unter der Überschrift „Erläuterung“ weitere Angaben zum Gegenstand des betroffenen Verfahrens („Beseitigung einer Gabionenmauer“), dem Gericht („AG Landshut“) sowie eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Urteils des BGH vom 07.05.2022, V ZR 299/19, verbunden mit dem Hinweis, dass durch Beschluss zu klären sei, wie sich „die GdWE zu dem genannten Verfahren verhalten“ wolle. Damit ergibt sich hinreichend genau, bzgl. welchen Verfahrens der Klagepartei die Fortführung untersagt werden soll.

b) Der Beschluss ist nicht wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig.

aa) Beseitigungsklagen konnten nach altem Recht von jedem Eigentümer auch mit Blick auf Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums geltend gemacht werden. Diese Befugnis jeden Eigentümers ist durch die Neufassung des § 9a Abs. 2 WEG entfallen. In Altverfahren – wie dem Bezugsverfahren der Klägerin auf Beseitigung der Gabionenwand – wendet der BGH den Rechtsgedanken des § 48 Abs. 5 WEG dahingehend an, dass die Eigentümer derartige Prozesse weiterführen können, wenn nicht das nach § 9b WEG vertretungsberechtigte Organ dem Gericht „schriftlich“ einen entgegenstehenden Willen bekannt macht. Die Gemeinschaft kann daher entweder den Prozess übernehmen oder die Fortführung des Prozesses untersagen (BGH NZM 2021, 561), wodurch der Kläger seine zunächst fortbestehende Prozessführungsbefugnis ebenso verliert, wie seine Aktivlegitimation (BGH BeckRS 2022, 5731 Rn. 11; BeckOK BGB/Zschieschack/ Orthmann, 62. Ed. 1.5.2022, WEG § 48 Rn. 39). Ein Wohnungseigentümer kann allerdings insoweit nach wie vor prozessführungsbefugt sein, als seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums gestützt wird, und zwar auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 41/19, NZM 2021, 613 Rn. 13; Urteil vom 1. Oktober 2021 – V ZR 48/21, WuM 2021, 766 Rn. 8). Abwehransprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer, die der gestörte Wohnungseigentümer selbst durchsetzen kann, können sich auf der Grundlage der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes sowohl aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG als auch aus § 1004 BGB ergeben, und können etwa dann bestehen, wenn Immissionen wie Lärm und Gerüche auf das Sondereigentum einwirken (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 41/19, NZM 2021, 613 Rn. 13 mwN); oder dann, wenn die Klage auf eine gravierende Beeinträchtigung der Aussicht aus der Einheit oder eine starke Verschattung der zu dem Sondereigentum gehörenden Räume gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 41/19, NZM 2021, 613 Rn. 15). Eigentum bietet dem Eigentümer nämlich eine Ausschluss- und eine Nutzungsfunktion, und Teil der Ausschlussfunktion sind Abwehrrechte (§§ 903, 1004 BGB). Sondereigentum ist echtes Eigentum, und der Sondereigentümer hat mithin gegen Beeinträchtigungen eine Abwehrposition. Er kann und darf seinen (eigenen) Abwehranspruch im eigenen Namen geltend machen, auch vor Gericht. Die Einmischung der Gemeinschaft in seine Verwaltungshoheit durch Beschluss und gegen seinen Willen wäre nichtig (Schmid, ZfIR 2021, 497, 501), hierfür gibt es keine Beschlusskompetenz.

bb) Der zu TOP 1 gefasste Beschluss bezieht sich aber nicht auch auf Ansprüche wegen Beeinträchtigungen des Sondereigentums der Klägerin (was seine Nichtigkeit bedingen würde), sondern nur auf Ansprüche wegen Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums.

(1) Dies ergibt sich im Wege der Auslegung entsprechend der zuvor dargestellten Maßgaben.

Zwar könnte die – sehr weit gefasste – Formulierung, dass der Klagepartei die „Fortführung des Prozesses untersagt“ wird, darauf hindeuten, dass auch die Ansprüche wegen einer Beeinträchtigung des Sondereigentums gemeint sein können. Völlig zu Recht weist das Amtsgericht aber darauf hin, dass die Formulierung „Die Eigentümergemeinschaft ist nicht gewillt, der Wohnungseigentümerin ### die Klage- bzw. Prozessführungsbefugnis zu überlassen“ verdeutlicht, dass hier (nur) die Klage- und Prozessführungsbefugnis gemeint sein soll, die der GdWE entweder als Anspruchsinhaberin zustehen (§ 14 Abs. 1 Nr.1 WEG n.F.), oder für die sie nach § 9a Abs. 2 WEG kraft „gesetzlicher Vergemeinschaftung“ prozessführungsbefugt ist (§ 1004 BGB), was bei Ansprüchen wegen Beeinträchtigungen des Sondereigentums gerade nicht der Fall ist. Weiterhin spricht für eine Auslegung in diesem Sinne auch die Bezugnahme auf die BGH – Entscheidung vom 07.05.2021, V ZR 299/19, in den „Erläuterungen“ im Einladungsschreiben; in dieser Entscheidung geht es ebenfalls um die aus dem gemeinschaftlichen Eigentum sich ergebenden Rechte.

(2) Es ist bei der Beschlussauslegung zu berücksichtigen, dass die zu einer gesetzmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen (BGH, Urt. V. 17. 04. 2015 – V ZR 12/14 -). Auch dies spricht für die dargestellte gesetzeskonforme (und damit letztlich geltungserhaltende) Auslegung des Beschlusses (vgl. Staudinger/ Häublein (2018) WEG § 23, Rn. 77).

c) Auch der klägerische Einwand, dass die von der Klägerin eingereichte Klage berechtigt war und ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, sodass die GdWE das Verfahren selbst als Partei hätte übernehmen müssen, greift nicht durch.

Die Möglichkeit, dem Kläger in einem Altverfahren auf Beseitigung einer unzulässigen baulichen Veränderung die Prozessführungsbefugnis zu entziehen und das bereits anhängige Verfahren nicht selbst als Partei zu übernehmen, wird in der Entscheidung des BGH vom 07.05.2021, Az. V ZR 299/19, ausdrücklich genannt („Daraus folgt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das bereits anhängige Verfahren selber als Partei übernehmen oder aber dem Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens untersagen kann, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen will“, vgl. BGH, V ZR 299/19; NZM 2021, 561 Rn. 23, beckonline). Der dort beispielhaft genannte Konstellation ist vorliegend gerade gegeben; die GdWE ist ersichtlich bemüht, einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu finden. Dies ergibt sich bereits aus den Erläuterungen im Einladungsschreiben, wonach dem Miteigentümer ### die Gabionenwand zwar genehmigt werden soll, aber nicht in der in der bestehenden Form – mit der alle Wohnungseigentümer außer der Klagepartei einverstanden sind -, sondern nur so abgewandelt, dass den Interessen und Sicherheitsbedenken der Klagepartei Rechnung getragen wird.

Dieser Beschluss ist vom weiten Ermessen der Wohnungseigentümer gedeckt, und zwar umso mehr, als die Klägerin nicht rechtlos gestellt wird. Der Beschluss zu TOP 2 bedeutet nämlich keine Genehmigung der Gabionenwand im ursprünglichen Ausmaß, diese bleibt eine ungenehmigte, rechtswidrige bauliche Veränderung. Die GdWE müsste bei einem entsprechendem Antrag, der ggf. mit einer Beschlussersetzungsklage durchzusetzen wäre, gegen die Gabionenwand vorgehen, wenn der Miteigentümer ### sie nicht entsprechend abändern würde. Dem würde auch ein klageabweisendes Prozessurteil nicht entgegenstehen, das die Zulässigkeit der Klage behandelt, nicht aber über den materiellrechtlichen Streitgegenstand selbst befindet, da sich sich die Rechtskraft nicht auf den Streitgegenstand bezieht, sondern nur auf die behandelte prozessuale Frage (vgl. Eicker, JA 2019, 52, beckonline).

III.

1. Die Kostenentscheidung erfolgte gemäß § 97 ZPO.

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3. Bei der Streitwertfestsetzung wurde der erstinstanzliche Beschluss zugrundegelegt.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung.

 

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