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WEG – Herausgabeanspruch rechtswidrig allein genutzter Kellerraum

LG Hamburg, Az.: 318 S 117/13, Urteil vom 09.04.2014

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 16.10.2013, Az. 539 C 12/13, unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, den rechts gelegenen Kellerraum im Vorflur zum Schwimmbad der Wohnungseigentümergemeinschaft … in … an die Mitwohnungseigentümer herauszugeben; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft , Sie streiten um die Herausgabe eines seitens der Beklagten derzeit allein genutzten Kellerraums in der Wohnungseigentumsanlage.

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, wobei Folgendes ergänzt wird: Nach dem Inhalt des Kaufvertrags zwischen der Beklagten und dem Voreigentümer aus dem Jahr 1981 ist der streitgegenständliche Kellerraum der Beklagten mitverkauft worden.

Das Amtsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 16.10.2013 verurteilt, den rechts gelegenen Kellerraum im Vorflur zum Schwimmbad der Wohnungseigentümergemeinschaft  in geräumt und besenrein an die Mitwohnungseigentümer herauszugeben.

Zur Begründung hat das Amtsgericht im wesentlichen ausgeführt, der im Jahr 1978 einstimmig gefasste Beschluss, durch welchen der Beklagten ein Sondernutzungsrecht in Bezug auf den streitgegenständlichen Kellerraum eingeräumt worden sei, sei mangels Beschlusskompetenz nichtig. Sofern in dem auch allstimmig gefassten Beschluss eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gesehen werde, so wirke diese mangels Eintragung im Grundbuch nicht gegen den Kläger als später eingetretenen Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers. Verwirkung sei nicht gegeben. Der Räumungs- und Herausgabeanspruch ergebe sich aus §§ 1011, 432 BGB.

Gegen dieses ihr am 18.10.2013 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 04.11.2013 eingelegten und am selben Tag begründeten Berufung. Sie vertritt die Auffassung, sie habe sich auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Jahr 1978 auf die damalige – inzwischen aufgegebene – Rechtsprechung des BGH verlassen dürfen, wonach ein Beschluss der Eigentümer ohne Beschlusskompetenz nur auf fristgemäße Anfechtungsklage hin für unwirksam zu erklären sei (BGH, Beschluss vom 21.05.1970, VII ZB 3/70). Ein etwaiger Anspruch des Klägers sei verjährt und verwirkt. Sie habe zumindest ein Gewohnheitsrecht zur alleinigen Nutzung des Kellerraums erworben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils insgesamt für zutreffend. Der im Berufungsverfahren vorgebrachte Vortrag der Beklagten über den Inhalt des Kaufvertrags aus dem Jahr 1981 sei rechtlich unerheblich.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Beklagte ist zur Herausgabe des Kellerraums durch Einräumung des anteiligen Mitbesitzes gegenüber dem Kläger verpflichtet (dazu 1.). Insoweit das Amtsgericht die Beklagte auch zur Räumung und zur Herstellung eines besenreinen Zustands des Kellerraums vor Herausgabe verurteilt hat, ist die Berufung begründet; insoweit war die Klage abzuweisen (dazu 2.).

1.

Das Amtsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Herausgabe des rechts gelegenen Kellerraums im Vorflur zum Schwimmbad der Wohnungseigentümergemeinschaft verurteilt.

Der Herausgabeanspruch des Klägers ergibt sich aus § 985 BGB i.V.m. §§ 13Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 3 WEG.

Der Kläger kann – unter Zugrundelegung der Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil – als Miteigentümer von der Beklagten die Herausgabe des im Gemeinschaftseigentum befindlichen, streitgegenständlichen Kellerraums an die Wohnungseigentümer verlangen, denn die Beklagte hat ihm gegenüber kein Recht zum alleinigen Besitz, insbesondere kein Sondernutzungsrecht, erworben. Auch stehen dem Herausgabeanspruch keine sonstigen Einwendungen der Beklagten entgegen.

Der Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 20.06.1978, durch welchen der Beklagten der betreffende Raum zur Sondernutzung überlassen werden sollte, ist nichtig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Begründung von Sondernutzungsrechten im Beschlusswege von vornherein unwirksam; insoweit fehlt der Wohnungseigentümerversammlung die Beschlusskompetenz (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2000, V ZB 58/99). Die Kammer schließt sich dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung an. Der vollständige Ausschluss einiger Miteigentümer vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums ist weder nach dem Wohnungseigentumsgesetz noch nach der hier geltenden Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung ein durch Beschluss regelbarer Gegenstand. Mangels genereller Beschlusskompetenz der Versammlung betreffend die Begründung von Sondernutzungsrechten ist es auch unerheblich, dass der Beschluss im vorliegenden Fall im Jahre 1978 einstimmig gefasst wurde.

Da der Beschluss im Jahre 1978 nicht nur einstimmig, sondern auch allstimmig gefasst wurde, mag es sich dabei – wie auch das Amtsgericht erwägt – materiell um eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG gehandelt haben. Doch begründete, wie vom Amtsgericht zutreffend festgestellt, auch eine solche Vereinbarung kein Recht der Beklagten zum Alleinbesitz bzw. zur Sondernutzung des Kellerraums. Denn Vereinbarungen der Wohnungseigentümer wirken gemäß § 10 Abs. 3 WEG gegen den Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Der Kläger selbst war an der Vereinbarung im Jahr 1978 nicht beteiligt; er ist später Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers geworden. Eine Eintragung des Sondernutzungsrechts der Beklagten im Grundbuch ist hier nicht erfolgt.

Der Herausgabeanspruch ist auch nicht verjährt. Der Herausgabeanspruch aus (eingetragenem Mit-)Eigentum gemäß § 985 BGB unterliegt nicht der Verjährung, § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. etwa AG München, Urteil vom 15. Oktober 2012, 485 C 16639/12; OLG München, Beschluss vom 16. November 2007 – 32 Wx 111/07).

Der Umstand, dass die überwiegende Rechtsprechung zum Zeitpunkt des – nichtigen – Beschlusses im Jahre 1978 davon ausging, dass Sondernutzungsrechte durch unangefochtenen (Mehrheits-)Beschluss begründet werden können, weil ein solcher Beschluss bis zur Ungültigerklärung gültig sei (etwa BGH, Beschluss vom 21.05.1970, VII ZB 3/70), ändert daran nichts. Denn diese – schon vor ihrer Aufgabe durch den BGH umstrittene – Rechtssprechung begründet keinen Vertrauenstatbestand, welcher der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs des Klägers entgegenstünde. Wie der BGH in der Entscheidung vom 20.09.2000 (a.a.O.) ausgeführt hat, kommt ein solcher Vertrauensschutz nur in Betracht, wenn im Vertrauen auf „bestandskräftige Mehrheitsbeschlüsse mit Vereinbarungsinhalt…rechtlich schützenswerte Positionen entstanden sind“ und „deren Beseitigung zu unzumutbaren Härten führen würde“ (BGH, a.a.O.). Das ist hier nicht zu erkennen.

Auch Verwirkung liegt nicht vor: Der Herausgabeanspruch des eingetragenen Eigentümers kann nur dann verwirkt sein, wenn die Herausgabe für den Besitzer schlechthin unerträglich ist (BGH, Urteil vom 16.03.2007, V ZR 190/06). Hierfür reichen die seitens der Beklagten vorgetragen Umstände bei Weitem nicht aus.

Auch führt der Umstand, dass der Beklagten die alleinige Nutzung des streitgegenständlichen Kellerraums bislang durch andere Miteigentümer gestattet wurde, nicht zum Entstehen eines ‚Gewohnheitsrechts‘ der Beklagten. Die Annahme eines solchen, etwa auch gegen einen Rechtsnachfolger wirkenden ‚Gewohnheitsrechts‘ stünde in direktem Widerspruch zur Regelung des § 10 Abs. 3 WEG und entwertete die Publizität des Grundbuchs. Dafür ist kein Raum.

Unerheblich ist auch, dass ein zwischen der Beklagten und einem Voreigentümer geschlossener Kaufvertrag ggf. die Übertragung von Rechten an dem streitgegenständlichen Raum zum Gegenstand hatte. Denn eine solche Vereinbarung hätte keinerlei Wirkung im Verhältnis der Beklagten zum Kläger. Die Begründung eines Alleinbesitzrechts bzw. Sondernutzungsrechts der Beklagten betreffend den streitgegenständlichen, im Miteigentum stehenden Kellerraum auch im Verhältnis zum Kläger läge nur dann vor, wenn entweder die Gemeinschaftsordnung die Zuweisung von Sondernutzungsrechten durch Beschluss zuließe oder wenn das durch Vereinbarung aller Miteigentümern im Jahr 1978 begründete Sondernutzungsrecht zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragen worden wäre oder aber wenn alle aktuellen Miteigentümer (einschließlich des Klägers) ihr ein entsprechendes Sondernutzungsrecht durch Vereinbarung eingeräumt hätten. Nichts davon ist der Fall.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung des Kellerraums durch Entfernung eines dort aufgestellten Solariums bestünde. Er hat ebenfalls keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Kellerraums besenrein herausgibt.

Solche Pflichten der Beklagten könnten sich lediglich als Rechtsfolgen eines – hier verjährten – Beseitigungsanspruchs gemäß §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3 WEG ergeben (dazu b)), nicht jedoch aus dem unverjährbaren Herausgabeanspruch aus eingetragenem Eigentum nach §§ 985, 902 BGB (dazu a)).

a)

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts geht der unverjährbare Herausgabeanspruch aus §§ 985, 902 BGB in der Rechtsfolge bloß auf Herausgabe, nicht auf Beseitigung. Bei Immobilien ist die „über die Übertragung des Besitzes hinausgehende Entfernung der von dem Besitzer errichteten Bauwerke oder Bauwerksteile (Räumung)….nicht Inhalt des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB, sondern des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB“ (BGH, Urteil v. 28.01.2011, V ZR 141/10; entsprechend etwa Urteil der Kammer vom 06.02.2013, 318 S 20/12). Herausgabe im Sinne von § 985 BGB bedeutet eben bloße „Auskehrung“: Der Schuldner muss die Sache nur in dem Zustand herausgeben, in dem sie sich befindet, und dort, wo sie sich befindet „in den Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung und der möglichen Apprehension“ des Eigentümers bringen (Baldus, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 985, Rn. 47). Darüber hinausgehende aktive Tätigkeiten (etwa Räumen und Fegen) sind nicht Inhalt eines Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB.

b)

Ein Beseitigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3 WEG, der eine Verurteilung der Beklagten auch zur besenreinen Räumung des Kellerraums begründen könnte, ist jedenfalls verjährt.

Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB ist kein Anspruch aus einem eingetragenen Recht im Sinne des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB (ständige Rechtsprechung, siehe schon BGH, Urteil vom 23.02.1973, V ZR 109/71). Er verjährt gemäß § 195 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungszeit von drei Jahren. Bei abgeschlossenen Störungshandlungen beginnt die Verjährungsfrist mit Abschluss der Handlung. Der Anspruch aus § 1004 BGB und der entsprechende Lauf der Verjährung entstehen nicht etwa wegen der fortdauernden Einwirkung ständig neu (BGH, Urteil v. 23.02.1973, V ZR 109/71; der Lauf der Verjährungsfrist wirkt im Übrigen auch gegen einen Rechtsnachfolger, BGH, a.a.O.).

Die Errichtung des Solariums der Klägerin innerhalb des Kellerraums ist eine mit Durchführung abgeschlossene Handlung. Die Verjährungsfrist begann mit Beendigung dieser Handlung und ist längst abgelaufen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war verhältnismäßig geringfügig. Denn die Kosten der im Klageantrag begehrten Räumung und des Ausfegens des im Tenor bezeichneten Kellerraums fallen gegenüber dem Streitwert der reinen Herausgabeklage nicht ins Gewicht.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil die Kammer die Revision gegen dieses Urteil nicht zulässt und die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 62 Abs. 2 WEG gesetzlich ausgeschlossen ist.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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