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WEG – Jahresabrechnung nicht vorab übersandt – keine Beschlussfassung

LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 65/19 – Urteil vom 05.03.2020

In dem Rechtsstreit hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2020 für Recht erkannt:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das Urteil des Amtsgerichts Idstein vom 15.04.2019 insoweit abgeändert, als der Beschluss zu TOP4 der Wohnungseigentümerversammlung auch bezüglich der „Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrückstellung und des Sollvermögens“ für ungültig erklärt wird.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagten zu 15 %.

Das Urteil und das angefochtene Urteil – im Umfang der Berufungszurückweisung – sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: bis 9.000 Euro

Gründe

I.

Mit der Klage wendet sich der Kläger, soweit für die Berufung noch von Interesse, gegen einen Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2017. In der Einladung zu der Versammlung ist als TOP 4 die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2017 aufgeführt, in dem Anschreiben ist darauf hingewiesen worden, dass die Hausgeldabrechnung zeitnah übersandt wird. Diese ist separat übersandt worden.

Der Kläger rügt unter anderem, dass der verbliebene Zeitraum von 8 Tagen nach Übersendung der Jahresabrechnung für die Vorbereitung auf die Versammlung zu kurz sei. Darüberhinausgehend rügt er, dass die Instandhaltungsrücklage nicht das laut Jahresabrechnung für 2016 am 30.12.2016 vorhandene Guthaben fortschreibt, sondern einen in Ist- und Sollrücklage um über 25.000 Euro erhöhten Wert ansetzt.

Das Amtsgericht Idstein hat die Klage, soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die vollständige Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung begehrt.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrages in der Berufungsinstanz auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1. Zu Recht und mit zutreffender Argumentation hat das Amtsgericht den Einwand der zu späten Übersendung der Abrechnung nicht durchgreifen lassen, so dass insoweit zunächst auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen werden kann.

Allerdings entspricht es der Rechtsprechung auch der Kammer, dass eine Übersendung von Unterlagen zu einem vorgeschlagenen Beschluss erforderlich ist, wenn für die Beschlussfassung eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. dazu BGH, NJW-RR 2012, 343). Dies wird etwa regelmäßig – auch von der Kammer – im Hinblick auf Abrechnungen und Wirtschaftspläne angenommen (vgl. nur BGH, NJW-RR 2012, 343; Kammer NJW-RR 2018, 1168; NJW-RR 2019, 75).

Indes ist für die Übersendung nicht die Frist des § 24 Abs. 4 S. 2 WEG maßgeblich. § 24 Abs. 4 S. 2 WEG regelt die Einberufung, wobei insoweit gemäß § 23 Abs. 2 WEG erforderlich ist, dass die anstehenden Beschlüsse bezeichnet werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Eigentümer auf die Beschlussfassung vorbereiten können, wobei nach der Rechtsprechung des BGH eine schlagwortartige Beschreibung des Beschlussgegenstandes genügt (BGH NZM 2012, 275). Dem wird die Einladung, die unter TOP 4 die Beschlussfassung über die Genehmigung der Jahresabrechnung vorsieht, gerecht. Insoweit war für die Eigentümer eindeutig erkennbar, dass eine Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2017 auf der Versammlung anstand.

Eine davon zu trennende Frage ist, ob die Eigentümer sich auf die Beschlussfassung hinreichend vorbereiten konnten, weil ihnen die für die Willensbildung erforderlichen Unterlagen rechtzeitig vorlagen. Dies ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und abhängig von dem jeweiligen Beschlussgegenstand. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass der hier gegebene Zeitraum von acht Tagen zur Prüfung der Abrechnung ausreichend war. In diesem Zeitraum ist es ohne weiteres möglich, eine überschaubare aus sieben Seiten bestehende Abrechnung zu prüfen, zumal über die Abrechnung bereits zuvor ein – zwischenzeitlich für ungültig erklärter – Beschluss gefasst wurde. Da aus der Einladung zu ersehen war, dass ein Beschluss über die Abrechnung zur Entscheidung anstand und diese „zeitnah“ übersandt werde, war für die Eigentümer auch ersichtlich, dass eine Abrechnung den Eigentümern zugeleitet wird, so dass diese sich auf die Prüfung – ggf. unter Zuhilfenahme von Rechtsrat – im Vorfeld der Eigentümerversammlung einstellen konnten. Ein Zeitraum von 8 Tagen ist hierfür ausreichend, zumal in diese Frist auch ein Wochenende fiel und so hinreichend Zeit zur Auseinandersetzung mit der Abrechnung verblieb. …

2. Mit Erfolg wendet sich die Berufung aber gegen die Beschlussfassung über die Instandhaltungsrücklage, die nach der Rechtsprechung des BGH Gegenstand der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung ist (BGH NJW 2010, 2127).

Nach der Rechtsprechung des BGH soll die Darstellung der Entwicklung der Rücklage in der Abrechnung den Wohnungseigentümern ermöglichen, die Vermögenslage ihrer Gemeinschaft zu erkennen und die Jahresabrechnung auf Plausibilität zu überprüfen (OLG Saarbrücken NZM 2006, 228, 229). Eine Prüfung der Abrechnung ist nur anhand des tatsächlichen Bestands der Instandhaltungsrücklage möglich. (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2009 – V ZR 44/09). Der BGH (aaO) verlangt daher, dass sich aus der Darstellung der Instandhaltungsrücklage deren Entwicklung ergibt. Dies erfordert eine transparente und nachvollziehbare Fortentwicklung der Rücklagendarstellung, wobei teilweise sogar gefordert wird, dass die Entwicklung von Anfang an (historisch) fortgeschrieben wird (Jennißen § 28 Rn. 117b; AG Pinneberg ZMR 2017, 771; vgl. auch LG Düsseldorf ZMR 2017, 181).

An einer derartigen Nachvollziehbarkeit fehlt es aber, wenn die Instandhaltungsrücklage sich nicht aus dem Endbetrag des Vorjahres fortentwickelt. Dann ist für den Eigentümer nicht erkennbar, wie und aus welchen Gründen sich die Rücklage entwickelt hat. Dieser Fehler kann – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – auf einer fehlerhaften Angabe der Bestände der Instandhaltungsrücklage im Vorjahr beruhen. Ebenfalls zutreffend ist, dass im aktuellen Jahr der jeweilige tatsächliche Bestand der Instandhaltungsrücklage anzugeben ist. Dies führt aber nicht dazu, dass bestehende Differenzen auf die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung keinen Einfluss haben. Ergeben sich derartige Differenzen müssen diese zumindest erläutert werden, damit die Abrechnung nachvollziehbar ist und die vom Bundesgerichtshof geforderte Prüfung und Erkennbarkeit der Vermögenslage der Gemeinschaft möglich ist. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn – wie hier – der Anfangsbestand der Instandhaltungsrücklage höher ist als der beschlossene Endbestand des Vorjahres. Denn auch dann kann der Eigentümer nicht nachvollziehen, ob der derzeitige Stand zutreffend ist und woraus sich die Differenz zu den beschlossenen Werten des Vorjahres ergibt. Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung führt diese Auffassung auch nicht dazu, dass „über die Hintertür“ nun die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung des Vorjahres einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen wird, denn um diese geht es hier nicht. Dabei kommt es nicht auf die umstrittene Frage an, ob – wofür wenig spricht – auch durch den Beschluss über die Gesamtabrechnung und die Instandhaltungsrücklage fehlerhafte Gesamtergebnisse bindend festgestellt werden (so Bärmann/Becker § 28 Rn. 166; Spielbauer/Then § 28 Rn. 34; dagegen Niedenführ § 28 Rn. 179; Staudinger/Häublein § 28 Rn. 178 ff.; vgl. Greiner ZWE 2018, 341, 344 kein Beschluss über „alternative Fakten“) und daher eine Berücksichtigung anderer als der beschlossenen Werte eine Korrektur der Abrechnung durch eine erneute Beschlussfassung erfordert.

Unabhängig davon ist der Beschluss über die Jahresabrechnung Grundlage des Abrechnungswesens der Eigentümergemeinschaft, so dass ein Abrechnungsbestandteil – wie hier die Instandhaltungsrücklage – nicht verständlich ist, wenn sie von anderen Anfangsbeständen ausgeht, als dem Endergebnis der vorangegangenen Abrechnungsperiode.

3. Dies führt allerdings nicht zur vollständigen Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung, denn der Beschluss über die Jahresabrechnung ist im Sinne von § 139 BGB teilbar. Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 139 BGB bei Wohnungseigentumsbeschlüssen jedenfalls dann entsprechend anwendbar, wenn diese – wie hier – nicht lediglich interne Wirkung entfalten, sondern auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung rechtlicher Befugnisse oder Pflichten gerichtet sind (BGHZ 139, 289, 298) und es sich bei den beanstandeten Teilregelungen – ebenfalls wie hier – um rechnerisch selbstständige und abgrenzbare Teile (BGH V ZR 193/11, Rn. 12, BGH Urteil vom 4. Dezember 2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 6; Beschluss vom 15. März 2007 – V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339 Rn. 12) handelt. Denn Sinn und Zweck von § 139 BGB ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht (BGH V ZR 193/11, Rn. 13; BGH – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135, 1136 Rn. 12). Dies führt dazu, dass eine Jahresabrechnung, soweit kein durchgreifender Fehler vorliegt, hinsichtlich der Positionen, die nicht fehlerhaft sind, aufrechterhalten bleibt (vgl. nur Kammer ZWE 2015, 409; WuM 2018, 590). Dies gilt auch für die Instandhaltungsrücklage, zumal der Kläger insoweit in der Anfechtungsbegründung auch ausdrücklich insoweit nur die fehlende Nachvollziehbarkeit der Instandhaltungsrücklage gerügt hat. Entsprechend hat auch der BGH (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2009 – V ZR 44/09 -) insoweit lediglich die Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage für ungültig erklärt. Insoweit verbleibt auch keine inhaltsleere, nicht oder nur noch schwer nachzuvollziehende Restabrechnung (vgl. dazu BGH V ZR 193/11 aaO Rn. 17), denn es ist in der Abrechnung lediglich eine Position sowie die Abrechnung über die Instandhaltungsrücklage insgesamt für ungültig erklärt worden. Dies genügt für die Ungültigerklärung der Abrechnung insgesamt nicht. Die sich aus den Einzelabrechnungen ergebenden Abrechnungsspitzen hat das Amtsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Kammer (ZWE 2015, 409; ZWE 2017, 321) bereits für ungültig erklärt.

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers der Beschluss über die Jahresabrechnung auch bezüglich der Darstellung der Instandhaltungsrücklage für ungültig zu erklären. Die weitergehende Berufung war zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49a GKG.

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