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WEG – Jahresabrechnungsbeschluss – Vorlage aller Einzelabrechnungen?

WEG-Recht: Einzelabrechnungen in der Eigentümerversammlung – Pflicht oder Wahl?

In der Eigentümergemeinschaft von Immobilien sind Jahresabrechnungsbeschlüsse ein zentrales Instrument, um finanzielle Aspekte transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Solche Beschlüsse, die in einer Eigentümerversammlung gefasst werden, dienen dazu, die finanziellen Verpflichtungen und Rechte der Wohnungseigentümer für ein bestimmtes Jahr festzulegen. Dabei kann es zu Fragen der Beschlussfassung, der Klarheit und Bestimmtheit des Beschlusses sowie zu möglichen Nichtigkeitsgründen kommen. Ein zentrales Thema ist dabei, inwieweit Einzelabrechnungen vorgelegt werden müssen und welche Informationen für die Wohnungseigentümer zugänglich sein sollten. Die Klärung dieser Fragen ist nicht nur für die betroffenen Eigentümer, sondern auch im Mietrecht von Bedeutung, da sie die Grundlage für weitere rechtliche Schritte, wie Klageabweisung oder die Geltendmachung von Beschlusskompetenzen, bilden können. Dabei spielen auch Begriffe wie Abrechnungsspitzen eine Rolle, die die genaue finanzielle Aufstellung innerhalb der Gemeinschaft verdeutlichen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 S 31/22 WEG   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das LG Koblenz hat entschieden, dass im Rahmen eines Jahresabrechnungsbeschlusses nicht alle Einzelabrechnungen vorgelegt werden müssen und dass der Beschluss hinreichend bestimmt war.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung der Beklagten: Das Urteil des Amtsgerichts Sinzig wurde teilweise abgeändert, und die gegen den Beschluss gerichtete Klage wurde abgewiesen.
  2. Amtsgerichtliche Entscheidung: Einige in der Wohnungseigentümerversammlung gefasste Beschlüsse wurden als nichtig erklärt.
  3. Berufung der Beklagten: Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ein und strebte eine Klageabweisung an.
  4. Beschlussinhalt: Der Beschluss bezog sich auf die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse für das Abrechnungsjahr 2019.
  5. Beklagtenargument: Das Amtsgericht hätte sein Urteil nicht auf einen nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund stützen dürfen.
  6. Rechtsprechung: Eine Bezugnahme auf Urkunden, wie die Jahresabrechnung, bei der Beschlussfassung ist zulässig, solange diese zweifelsfrei bestimmt sind.
  7. Entscheidung des LG Koblenz: Der Beschluss der Eigentümerversammlung war hinreichend bestimmt und setzte nicht voraus, dass jeder Wohnungseigentümer Kenntnis von den Abrechnungsspitzen der anderen Wohnungseigentümer hatte.
  8. Endurteil: Die Klägerin muss die beschlossene Nachzahlungspflicht aus der jeweils beschlossenen Abrechnungsspitze tragen.

Rechtsstreit um Jahresabrechnungsbeschlüsse

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Frage, ob im Rahmen eines Jahresabrechnungsbeschlusses alle Einzelabrechnungen vorgelegt werden müssen. Der Fall wurde vor dem Landgericht (LG) Koblenz verhandelt, nachdem das Amtsgericht Sinzig zuvor ein Urteil gefällt hatte.

Ursprung des Falles und Amtsgerichtliche Entscheidung

WEG-Recht: Einzelabrechnungen in der Eigentümerversammlung – Pflicht oder Wahl?
(Symbolfoto: Tikhonova Yana /Shutterstock.com)

Der Ausgangspunkt des Falles war ein Beschluss, der in einer Eigentümerversammlung am 23.09.2021 unter dem Punkt „Jahres-/Einzelabrechnung/en – Beschlussfassung über die Anpassung bzw. Einforderung der Nachschüsse“ gefasst wurde. Gegen diesen Beschluss wurde Klage erhoben. Das Amtsgericht Sinzig hatte in seinem Urteil vom 28.04.2022 festgestellt, dass einige in der Eigentümerversammlung gefasste Beschlüsse nichtig sind und einen anderen Beschluss für unwirksam erklärt.

Berufung und Argumente der Beklagten

Die Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein und strebte eine Abänderung des Urteils an. Sie zweifelte die Richtigkeit der Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts an und rügte eine unzutreffende Rechtsanwendung. Ein zentraler Punkt der Auseinandersetzung war, ob die Einzelabrechnungen dem Protokoll der Eigentümerversammlung als Anlage beigefügt und den Wohnungseigentümern bekannt gemacht werden müssen. Das Amtsgericht hatte diese Ansicht vertreten, die Beklagte widersprach dem jedoch.

Entscheidung des LG Koblenz

Das LG Koblenz stellte in seiner Entscheidung fest, dass die Klägerin vor dem Amtsgericht Nichtigkeitsgründe geltend gemacht hatte, auch wenn sie das Wort „Nichtigkeit“ nicht ausdrücklich verwendet hatte. Das Gericht stimmte jedoch mit der Berufung überein, dass der angegriffene Beschluss hinreichend bestimmt war. Es wurde festgestellt, dass der Beschluss auf einer vom Verwalter erstellten Abrechnung über den Wirtschaftsplan basierte.

Zudem wurde klargestellt, dass die Beschlussfassung nicht voraussetzte, dass jeder Wohnungseigentümer vorher Kenntnis von den Abrechnungsspitzen oder Beitragsanpassungen der anderen Wohnungseigentümer genommen haben musste. Es war auch nicht erforderlich, eine Gesamtübersicht über die Abrechnungsspitzen oder Beitragsanpassungen an alle Wohnungseigentümer vorzulegen.

Das Fazit des Urteils des LG Koblenz war, dass die Berufung der Beklagten erfolgreich war. Das Urteil des Amtsgerichts Sinzig wurde insoweit abgeändert, als die Nichtigkeit des in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlusses festgestellt wurde. Die Klage wurde in diesem Punkt abgewiesen. Das Gericht stellte klar, dass die Beschlussfassung nicht die Vorlage aller Einzelabrechnungen erforderte und dass der Beschluss hinreichend bestimmt war.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was genau versteht man unter einem „Jahresabrechnungsbeschluss“ im Kontext des Wohnungseigentumsrechts?

Ein Jahresabrechnungsbeschluss im Kontext des Wohnungseigentumsrechts bezieht sich auf die jährliche Abrechnung, die die Einnahmen und Ausgaben einer Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb eines Kalenderjahres darstellt. Dieser Beschluss ist ein wesentlicher Bestandteil der Verwaltung von Wohnungseigentum und hat mehrere wichtige Funktionen.

Die Jahresabrechnung wird vom Wohnungseigentumsverwalter erstellt und muss innerhalb einer angemessenen Frist, spätestens jedoch 6 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, vorgelegt werden. Sie ist eine geordnete Einnahmen- und Ausgabenrechnung und muss vollständig, übersichtlich und nachvollziehbar sein. Sie soll den Wohnungseigentümer in die Lage versetzen, die Vermögenslage der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfassen und auf Plausibilität zu überprüfen. Die Jahresabrechnung muss Angaben über die Höhe der Rücklagen und die Kontostände der Gemeinschaftskonten am Anfang und Ende des Wirtschaftsjahres enthalten. Darüber hinaus sind in der Jahresabrechnung die geleisteten und geschuldeten Zahlungen zur Erhaltungsrücklage anzugeben.

Die Jahresabrechnung besteht aus einer Gesamtabrechnung, die die gesamten Einnahmen und Ausgaben des Wirtschaftsjahres erfasst, und einer Einzelabrechnung, in der die Einnahmen und Ausgaben auf die Wohnungseigentumseinheiten nach dem geltenden Verteilerschlüssel umgelegt und mit den Hausgeldzahlungen verrechnet werden.  Der Beschluss über die Zahlungspflichten aus der Jahresabrechnung stellt den Anteil des einzelnen Wohnungseigentümers an den tatsächlichen Kosten und Lasten fest. Dieser Beschluss ist anspruchsbegründend und wirkt sich auf die finanziellen Verpflichtungen der Wohnungseigentümer aus.

Es ist zu beachten, dass die Wohnungseigentümer einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, dass der Verwalter eine inhaltlich zutreffende und ordnungsgemäße Jahresabrechnung erstellt. Sollte der Verwalter dieser Pflicht nicht nachkommen, stehen den Wohnungseigentümern verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, einschließlich der gerichtlichen Inanspruchnahme des Verwalters. Die Überprüfung der Jahresabrechnung übernimmt gemäß § 29 Abs. 2 S. 2 WEG der Verwaltungsbeirat. Die Prüfung läuft sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Hinsicht ab.

Der Jahresabrechnungsbeschluss ist also ein zentraler Bestandteil des Wohnungseigentumsrechts, der die finanzielle Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft regelt und Transparenz über die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft schafft.

Was sind „Nichtigkeitsgründe“ und wie unterscheiden sie sich von Anfechtungsgründen?

„Nichtigkeitsgründe“ beziehen sich auf Situationen, die dazu führen, dass ein rechtlicher Akt, wie zum Beispiel ein Beschluss, von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfaltet. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Rechtsgeschäft gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, oder wenn der gesetzlich vorgeschriebene oder vereinbarte Form fehlt. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam und kann nicht geheilt werden. Im Kontext von Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Beschluss nichtig sein, wenn er widersprüchlich oder unbestimmt ist, oder wenn Wohnungseigentümern bewusst nicht zur Eigentümerversammlung eingeladen wurden oder unberechtigt von einer Versammlung ausgeschlossen wurden.

Anfechtungsgründe hingegen beziehen sich auf Situationen, die dazu führen, dass ein rechtlicher Akt angefochten und für unwirksam erklärt werden kann. Anfechtungsgründe können zum Beispiel ein Inhaltsirrtum, ein Erklärungsirrtum, ein Eigenschaftsirrtum, ein Übermittlungsirrtum oder eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sein. Im Kontext von Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft können Anfechtungsgründe zum Beispiel eine fehlerhafte Kostenumlage, die Bestellung eines Hausverwalters bei fehlender Eignung oder Zertifizierung, oder die Teilnahme Nichtbevollmächtigter an der Abstimmung sein.

Der Hauptunterschied zwischen Nichtigkeitsgründen und Anfechtungsgründen besteht darin, dass ein nichtiger Akt von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfaltet, während ein anfechtbarer Akt solange wirksam bleibt, bis er erfolgreich angefochten und für unwirksam erklärt wird. Dies bedeutet, dass bei einem nichtigen Akt keine weiteren Schritte erforderlich sind, um seine Unwirksamkeit festzustellen, während bei einem anfechtbaren Akt ein rechtskräftiges Urteil erforderlich ist, um seine Unwirksamkeit festzustellen. Darüber hinaus kann sich jeder auf die Nichtigkeit eines Aktes berufen, während die Geltendmachung der Anfechtbarkeit an enge Grenzen gebunden ist.

Im Kontext von Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedeutet dies, dass formelle Beschlussmängel, Fehler bei der Abstimmung oder die Teilnahme von nicht stimmberechtigten Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit führen. Die Nichtigkeit eines Beschlusses ist auf extreme Fälle beschränkt, zum Beispiel wenn es zu massiven Angriffen auf Versammlungsteilnehmer gekommen ist und eine geordnete Beschlussfassung nicht möglich war.


Das vorliegende Urteil

LG Koblenz – Az.: 2 S 31/22 WEG – Urteil vom 19.12.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 28.04.2022, Az. 10a C 7/21 WEG, wie folgt (teilweise) abgeändert:

Die gegen den in der Eigentümerversammlung vom 23.09.2021 unter Top 2B) gefassten Beschluss „Jahres-/Einzelabrechnung/en – Beschlussfassung über die Anpassung bzw. Einforderung der Nachschüsse“ gerichtete Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die erstinstanzlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 4.000 Euro anzuwenden, sofern nicht die Beklage zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 28.04.2022 hat das Amtsgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 23.09.2021 gefassten Beschlüsse zu Top 2B), 2C), 7B und 18 nichtig sind und den Beschluss zu Top 12 für unwirksam erklärt. Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird auf das amtsgerichliche Urteil Bezug genommen.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 23.05.2022 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.06.2022 eingelegte und zugleich begründete Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des angefochtenen Urteils zu Top 2B) durch Klageabweisung anstrebt. Sie hegt Zweifel an der Richtigkeit der amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellung und rügt vom Ergebnis her unzutreffende Rechtsanwendung.

Der im Berufungsverfahren im Streit stehende Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.09.2021 zu Top 2B) – Jahres-/Einzelabrechnung/en – Beschlussfassung über die Anpassung bzw. Einforderung der Nachschüsse – lautet wie folgt:

„a) Die für das Wirtschaftsjahr 2019 auf Basis des gefassten Beschlusses festgesetzten Vorschüsse (gemäß § 28 Abs. 2 WEG neu) werden für die einzelnen Einheiten angepasst bzw. Nachschüsse eingefordert wie aus den Einzelabrechnungen vom 25.09.20 ersichtlich.

b) Die einzelnen Kostenpostionen, Verteilerschlüssel und Rechenoperationen, die in der Jahresabrechnung als Zahlenwerk vorzunehmen sind, ist dagegen nicht Beschlussgegenstand. Die Beschlussfassung beschränkt sich allein bei der Jahresabrechnung auf die Abrechnungsspitze, das Rechenwerk selbst, der Vermögensbericht und die tatsächlich erbrachten Zahlungen sind nur noch rein informatorisch angegeben und werden nicht beschlossen.

c) Die ausgewiesenen Nachschüsse/Fehlbeträge sind von den Wohnungseigentümern bis zu 4. des nächsten Monats auf das bekannte Gemeinschaftskonto zu zahlen, unbeschadet sonstiger bereits rechtshängiger und sonstiger Rückstände. Soweit die Eigentümer am Lastschriftverfahren teilnehmen, erfolgt der Einzug der Beträge sowie die Rücküberweisung der Guthaben an die Wohnungseigentümer unter Verrechnung evtl. bestehender Rückstände Anfangs des nächsten Monats. Der umfasst nicht die Beschlussfassung.

d) Die WEG beauftragt die Verwaltung, nach Fristablauf bestehende Zahlungsrückstände notfalls mit gerichtlicher Hilfe und unter Einschaltung einer Anwaltskanzlei durchzusetzen.“

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass das Amtsgericht sein Urteil nicht auf den vom Kläger nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund hätte stützen dürfen. Zwar seien Nichtigkeitsgründe von Amts wegen mit zu prüfen. Dies entbinde die Klägerin aber nicht von ihrer Darstellungslast, d. h. vom erforderlichen Vortrag zum zugrundeliegenden Lebenssachverhalt. Hiergegen habe das Amtsgericht verstoßen.

Erstinstanzlich sei unstreitig gewesen, dass

– allen Eigentümern spätestens drei Wochen vor der Versammlung vom 23.09.2021 die Einzelabrechnungen 2019 erteilt wurden,

– in der Beschlussfassung vom 23.09.2021 ausdrücklich auf die auf den 25.09.2020 datierten Einzelabrechnungen 2019 Bezug genommen worden sei.

Das Amtsgericht habe nicht von sich aus davon ausgehen dürfen, dass die Einzelabrechnungen dem Protokoll der Eigentümerversammlung als Anlage nicht beigefügt und den Eigentümern die Einzelabrechnungen und Abrechnungsspitzen der anderen Eigentümer nicht bekannt gewesen seien, da dies die Klägerin nicht gerügt habe.

Zudem sei nach der Rechtsprechung eine Bezugnahme auf Urkunden, insbesondere die Jahresabrechnung bei der Beschlussfassung zulässig, solange diese zweifelsfrei bestimmt seien, wonach die Bezeichnung Abrechnung 2019 genüge, zumal das Datum der Abrechnung genannt sei. Die Aufnahme der Einzelabrechnungen in die Beschlusssammlung oder ihre Beifügung zum Versammlungsprotokoll oder eine tabellarische Auflistung der Abrechnungsspitzen aller Eigentümer sei nicht erforderlich. Selbst bei anderer Ansicht sei das Fehlen allenfalls ein Anfechtungs- und kein Nichtigkeitsgrund, den die Klägerin nicht innerhalb der zweimonatigen Beschlussanfechtungsfrist geltend gemacht habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 28.04.2022, 10a C 7/21, insoweit abzuändern, als die Nichtigkeit des in der Wohnungseigentümerversammlung vom 23.09.2021 unter Top 2B) gefasste Beschluss festgestellt wurde, und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils bezüglich der vom Amtsgericht festgestellten Nichtigkeit des in der Eigentümerversammlung vom 23.09.2021 gefassten Beschlusses zu Top 2B) über die Anpassung bzw. Einforderung der Nachschüsse für das Wirtschaftsjahr 2019 durch Abweisung des diesbezüglichen Klageantrages.

Entgegen den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Beschluss nicht nichtig. Auch die von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgründe greifen nicht durch.

Entgegen der Berufung hat die Klägerin vor dem Amtsgericht Nichtigkeitsgründe geltend gemacht, auch wenn sie dieses Wort nicht ausdrücklich verwandt hat, und zwar im Schriftsatz vom 28.01.2022 S. 2 f., wo sie die Nichtbenennung des auf den jeweiligen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages über zu beschließende Nachschüsse/Beitragsanpassungen/Unklarheit des gefassten Beschlusses und die fehlende Beschlusskompetenz moniert. Der Berufung ist jedoch beizupflichten, dass die v. g. Gründe nicht durchgreifen.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, dass der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses, insbesondere weil ein Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG aF, jetzt § 10 Abs. 3 WEG nF an Beschlüsse gebunden ist, inhaltlich bestimmt und klar sein muss. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Deshalb sind Eigentümerbeschlüsse „aus sich heraus“ auszulegen und dürfen Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, Beschluss vom 10. September 1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292, 295). Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Amtsgerichts bedeutet dies aber nicht, dass sich der Text eines Eigentümerbeschlusses zur Konkretisierung der getroffenen Regelung nicht auf Dokumente außerhalb des Protokolls beziehen dürfte. Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf, wie dies beispielsweise bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung und häufig auch bei Sanierungsbeschlüssen nach Kostenvoranschlag oder auf der Grundlage eines Gutachtens geschehen ist/geschieht (BGH, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 104/15 – Rn. 9 mwNw – Kostenverteilungsschlüsselfall). Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, gedeutet werden kann. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist diese Rechtsprechung auch nicht wegen der Änderungen des WEG zum 01.12.2020 überholt. Sie gilt fort.

Mit der Berufung stimmt die Kammer überein, dass der angegriffene Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.09.2021 zu Top 2B) hinreichend bestimmt ist. So wie es § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG in der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung vorschreibt, haben die Wohnungseigentümer für das Abrechnungsjahr 2019 über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschlossen und zwar auf der Grundlage einer zu diesem Zweck vom Verwalter erstellten und unter dem 25.09.2020 datierten Abrechnung über den Wirtschaftsplan. Aus dieser ergibt sich für die Einheit der Klägerin Nr. 1068-0016 eine als Abrechnungsspitze beschlossene ausgewiesene Nachzahlungsverpflichtung in Höhe von 1.477,77 Euro und eine für die Einheit Nr. 1068-0017 als Abrechnungsspitze beschlossene ausgewiesene Nachzahlungsverpflichtigung in Höhe von 79,76 Euro. Für die anderen Wohnungseigentümer waren das die sich aus den an sie übersandten Einzelabrechnungen ersichtlichen Nachzahlbeträge (Abrechungsspitze) bzw. Beitragsanpassungen. Da es unstreitig nur diesen einen Entwurf über die Jahresabrechnung gab und dieser der Beschlussfassung zugrunde lag, genügte auch die Angabe seines Datums im Beschluss, um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen. Die Publizität der auch gegen Sonderrechtsnachfolger wirkenden Beschlüsse wird dadurch gewährleistet, dass das in Bezug genommene Schriftstück auch in die Beschluss-Sammlung oder eine Anlage zu dieser aufzunehmen ist, wenngleich dies keine konstitutive Wirkung für das Zustandekommen des Beschlusses hat (BGH, Urteil vom 08.04.2016 – V ZR 104/15 – Rn. 10 mwNw).

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts blieb auch nicht wegen der Nichtvorlage der jeweils anderen Einzelabrechnungen unklar, worauf sich die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer bezog. Denn die Beschlussfassung setzte nicht voraus, dass der jeweilige Wohnungseigentümer vorher jeweils Kenntnis von den jeweiligen Abrechnungsspitzen bzw. Beitragsanpassungen der anderen Wohnungseigentümer genommen haben musste. Es bedurfte auch nicht der Vorlage einer Gesamtübersicht über die Abrechnungsspitzen/Beitragsanpassungen an alle Wohnungseigentümer, so wie die Klägerin meint, auch wenn dies zweifelsfrei wünschenswert gewesen wäre, oder einer Übersendung sämtlicher Einzelabrechnungen an alle Wohnungseigentümer (LG Dortmund, Urteil vom 30.06.2017 – 17 S 232/16, Rn. 32 = ZWE 2017, 455 – noch zum WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung).

Den Wohnungseigentümer oblag es auch, gemäß § 28 Abs. 2 WEG über die Einforderung der Nachschüsse oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse zu beschließen (sogenannte Beschlusskompetenz).

Auch die innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist geltend gemachten Beschlussanfechtungsgründe greifen nicht durch.

Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Eigentümerin der beiden streitbefangenen Wohneinheiten war, trifft sie die beschlossene Nachzahlungspflicht aus der jeweils beschlossenen Abrechnungsspitze.

Die in der Klagebegründung pauschal eingewandte unzutreffende Heiz- und Kaltwasserabrechnung wegen Miete für Wärme- und Kaltwasserzähler greift schon deshalb nicht durch, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, wie sich der vermeintliche inhaltliche Mangel auf ihre Zahlungspflicht ausgewirkt hätte, z. B. welche anderen konkreten Beträge sie dann anstelle der beschlossenen Nachzahlungen leisten müsste.

Soweit die Klägerin in der Berufungserwiderung die Nichtübersendung der für die anderen Wohnungseigentümer bestimmten Einzelabrechnungen problematisiert, greift dieser Grund schon deshalb nicht durch, weil sie ihn nicht in der Klagebegründungsfrist, die eine materiellrechtliche Ausschlussfrist ist, geltend gemacht hat und deshalb mit diesem Vorbringen ausgeschlossen ist. Wiedereinsetzungsgründe sind weder dargetan noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass die Beklagte ihr diese Abrechnungen auch nicht übersenden musste. Im Falle des Interesses hätte die Klägerin bei der Verwalterin vor der Versammlung von ihrem Einsichtnahmerecht Gebrauch machen können, was sie aber nicht getan hat.

Die teilweise Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils hat zur Folge, dass die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat (§ 91 Abs. 1 ZPO) und die amtsgerichtliche Kostenentscheidung nach dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien abzuändern ist (§ 92 Abs. 1 ZPO) unter Berücksichtigung der amtsgerichtlichen Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 24.11.2022 mit den dort ausgewiesenen Einzelstreitwerten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 49 GKG, der Ansicht des LG Frankfurt a.M. im Beschluss vom 08.03.2022 – 2-09 S 45/21, ZMR 2022, 398 ff., des LG Köln im Beschluss vom 13.06.2022 – 29 T 44/22, ZMR 2022, 739 f., sowie des Amtsgerichts Sinzig in seinem Beschluss in der hiesigen Sache vom 24.11.2022 für Top 2B folgend, auf 30.864,98 Euro (Einzelinteresse der Klägerin für 2 WE = 3.953,97 Euro + 161,36 Euro = 4.115,33 Euro x 7,5) festgesetzt, der unter dem sich nach den Ausgaben berechnenden Gesamtinteresse und unter dem Verkehrswert der beiden Wohneinheiten liegt.

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