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WEG – Umlagebeschluss auch ohne Versammlung gültig?

LG Bremen – Az.: 4 S 188/19 – Urteil vom 02.10.2020

1.) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 07.06.2019 (Az.: 44 C 16/18) wird zurückgewiesen.

2.) Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3.) Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H. von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet

4.) Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Hausgeldzahlungen. Im Berufungsverfahren streiten die Parteien in diesem Rahmen über die Wirksamkeit eines im schriftlichen Verfahren gefassten Beschlusses betreffend die Genehmigung der Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne der Klägerin für das Jahr 2017.

Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

„Die Beklagte war seit dem 07.01.2016 Mitglied der Klägerin zu 1.319/10.000 Miteigentumsanteil des im Grundbuch des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal eingetragenen Grundstücks, verbunden mit dem Sondereigentum an den im Erdgeschoss H. Str. 90 gelegenen, im Aufteilungsplan mit Nr. 25 gekennzeichneten Gewerberäumen, in welchen ein griechisches Restaurant betrieben wurde. Die Beklagte übernahm das Wohnungseigentum seinerzeit von ihrer Schwiegermutter und zahlte bei Übernahme 20.000,00 € an die Klägerin, welche zur Abgeltung sämtlicher Forderungen, die bis zum Ende des Jahres 2015 angefallen und damit erledigt waren. Mit notarieller Urkunde vom 01.11.2017 verkaufte die Beklagte ihr Wohnungseigentum an Herrn J. Dieser wurde am 07.06.2018 in das Teileigentumsgrundbuch von H. Blatt 3773 eingetragen.

Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage Hausgeld für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.01.2018 von der Beklagten. Nachdem die Klägerin ursprünglich noch weitere 1.232,53 € Schadensersatz für eine behauptete Beschädigung des Gemeinschaftseigentums verlangt hatte, hat sie die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.03.2019 insoweit zurückgenommen.

Auf der Eigentümerversammlung vom 05.10.2015 genehmigten die Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss den Einzelwirtschaftsplan betreffend die Gewerbeeinheit der Beklagten für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2016. Auf das Protokoll vom 05.10.2016 (BI. 61 ff.) und den Einzelwirtschaftsplan vom 15.09.2015 (BI. 63 f.) wird Bezug genommen. Der Einzelwirtschaftsplan wies ein monatliches Hausgeld von 790,00 € aus. Der Beschluss vom 05.10.2015 wurde nicht angefochten. Die Beklagte leistete für das Wirtschaftsjahr 2016 kein Hausgeld. Auf der Eigentümerversammlung vom 16.11.2017 genehmigten die Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss die Gesamt- und Einzelabrechnungen des Hausgeldes für das Wirtschaftsjahr 2016. Auf das Protokoll vom 16.11.2017 (BI. 20 ff.) und die Einzelabrechnung für die Gewerbeeinheit der Beklagten vom 19.10.2017 (BI. 18f.) wird Bezug genommen. Die Einzelabrechnung für die Gewerbeeinheit der Beklagten wies einen Nachzahlungsbetrag zu Lasten der Beklagten in Höhe von 5.967,34 € aus.

Zur Wohnungseigentümerversammlung am 28.09.2016 wurde die Beklagte versehentlich nicht eingeladen und es waren bei dieser Eigentümerversammlung Gäste zugegen.

Zur Genehmigung des die Gewerbeeinheit der Beklagten betreffenden Einzelwirtschaftsplans für das Wirtschaftsjahr 2017 vom 12.10.2016 (BI. 24 f.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wurde ein Umlaufbeschluss gemäß § 23 Abs. 3 WEG initiiert. Dieser wies ein monatlich zu zahlenden Hausgeld von 601,00 € aus. Mindestens ein Eigentümer stimmte dem Umlaufbeschluss nicht zu.

Auf der Eigentümerversammlung vom 16.11.2017 genehmigten die Eigentümer durch Mehrheitsbeschluss den Einzelwirtschaftsplan betreffend die der Beklagten gehörenden Gewerbeeinheit für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018. Auf das Protokoll vom 16.11.2017 (BI. 20 ff.) und den Einzelwirtschaftsplan vom 19.10.2017 (BI. 33 f.) wird Bezug genommen. Der Beschluss wurde nicht angefochten. Der Einzelwirtschaftsplan weist ein monatlich zu leistendes Hausgeld von 483,00 € aus. Für den Monat Januar 2018 leistete die Beklagte kein Hausgeld.

Wegen Zweifeln an der Wirksamkeit des Umlaufbeschlusses zur Genehmigung des Wirtschaftsplans für das Wirtschaftsjahr 2017 beschlossen die Eigentümer auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 05.12.2018 nochmals mehrheitlich die Genehmigung der Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne für das Wirtschaftsjahr 01.01.2017 bis 31.12.2017 vom 12.10.2016. Auf das Protokoll (BI. 83 f.) wird Bezug genommen.

Die ursprünglich geltend gemachte Forderung der Klägerin bezifferte sich wie folgt:

Hausgeld für das Wirtschaftsjahr 2016 (Januar bis Dezember): 5.967,34 €

Hausgeld für das Wirtschaftsjahr 2017 (Januar bis Dezember): 7.212,00 €

Hausgeld für Januar 2018: 483,00 €

Schadensersatz wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums: 1.232,53 €.“

Am 29.06.2018 hat das Amtsgericht Bremen, Az.: 18-7056112-06, auf Antrag der Klägerin einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte erlassen. Wegen des Inhalts wird auf den Vollstreckungsbescheid (BI. 4 f.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat nach Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid die Klage teilweise, nämlich wegen des Schadensersatzes in Höhe von 1.232,52 €, zurückgenommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bremen vom 29.06.2018 unter der Maßgabe der teilweisen Klagerücknahme aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bremen vom 29.06.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, sie hafte nur bis Ende 2017 für Hausgeldforderungen, denn sie habe den Besitz vereinbarungsgemäß an den Käufer zum 01.12.2017 übergeben.

Die Beklagte hat erstinstanzlich gegen die Jahreseinzelabrechnung vom 19.10.2017 für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 materielle Einwendungen erhoben. Sie war der Auffassung, diese sei ohne Erläuterung nicht prüffähig. Dies gelte insbesondere für die darin vermerkten, unterschiedlichen Umlageschlüssel. Es sei nicht plausibel, warum sie doppelt Heizkosten zu tragen habe. Die Anteile dafür seien in der streitgegenständlichen Abrechnung mit „EUR“ angegeben und nicht auf Miteigentumsanteile bezogen. Die Aufteilung sei nicht verständlich. Die Hauswartkosten seien nicht differenziert worden; der Anteil, der auf reine Instandsetzung entfalle, sei nicht ausgewiesen. Damit sei unklar, welche Kosten auf die Pächterin hätten umgelegt werden können. Der Nachzahlungsbetrag sei auch der Höhe nach nicht fällig. Die Fälligstellung sei erst zum 11.12.2017 erfolgt. Hierfür habe der Erwerber zu haften.

Sie hat außerdem die Auffassung vertreten, der Umlaufbeschluss zur Genehmigung des Wirtschaftsplans für das Wirtschaftsjahr 2017 vom 12.10.2016 sei nicht wirksam, da es an der Zustimmung mindestens eines Eigentümers fehle, was unstreitig ist. Ferner könne die Klägerin hieraus keine Ansprüche mehr herleiten, da Abrechnungsreife eingetreten sei. Schließlich zeige ein Vergleich zu den Hausgeldvorschüssen für das Wirtschaftsjahr 2018, dass die Hausgeldvorschüsse für das Wirtschaftsjahr 2017 deutlich zu hoch gewesen seien.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 07.06.2019 unter Klagabweisung im Übrigen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bremen vom 29.06.2018, Az.: 18-7056112-0-6, teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.450,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 10.06.2018 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Hausgeld für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2016 sowie für den Monat Januar 2018 in Höhe von 483,00 € nebst Zinsen zu. Bezüglich der Hausgeldforderung für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2017 in Höhe von 7.212,00 € nebst Zinsen sei die Klage hingegen unbegründet.

Für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 schulde die Beklagte kein Hausgeld, denn die Genehmigung des Wirtschaftsplans vom 12.10.2016 sei nicht wirksam zu Lasten der Beklagten beschlossen worden.

Der Wirtschaftsplan sei nicht wirksam gemäß § 23 Abs. 3 WEG durch Umlaufbeschluss genehmigt worden. Das Gericht könne dem wechselseitigen Vortrag der Parteien nicht zweifelsfrei entnehmen, ob eine entsprechende Mitteilung der Beschlussfeststellung vorliegend erfolgt sei, hierauf komme es jedoch nicht an, weil der Beschluss bereits mangels Zustimmung aller Eigentümer nicht zustande gekommen sei.

Es fehle an einer notwendigen Entstehungsvoraussetzung für einen Beschluss. Es sei anerkannt, dass es an einer Beschlussqualität fehle, wenn es an dem grundlegenden Akt der gesetzlich vorgesehenen Willensbildung fehle. Dies werde vor allem angenommen, wenn eine „Stimmabgabe“ ohne oder außerhalb einer Eigentümerversammlung stattfinde oder ein Abstimmungsvorgang gar nicht stattgefunden habe. Da die schriftliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer die Eigentümerversammlung ersetze, sei ihr Fehlen dem Fehlen einer Eigentümerversammlung gleichzusetzen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte folge auch nicht aus der bei der Wohnungseigentümerversammlung vom 05.12.2018 beschlossenen Genehmigung desselben Wirtschaftsplans. Die Genehmigung des Wirtschaftsplans entfalte keine Wirkung zu Lasten der Beklagten. Für die jeweilige Person des Hausgeldschuldners komme es darauf an, wer bei Fälligkeit der aus einem Beschluss nach § 28 Abs. 5 WEG begründeten Ansprüche aktuell Eigentümer oder Miteigentümer eines Wohnungseigentums sei. Grundsätzlich könne zwar auch von einer Rückwirkung eines bestätigenden Zweitbeschlusses ausgegangen werden, sofern der Erstbeschluss trotz der ihm anhaftenden Mängel und trotz eines eventuell anhängigen Beschlussanfechtungsverfahrens wirksam sei, vorliegend fehle es jedoch an einem wirksamen, lediglich anfechtbaren Erstbeschluss. Zum Zeitpunkt der Genehmigung am 05.12.2018 sei die Beklagte unstreitig nicht mehr Eigentümerin gewesen. Unerheblich sei insoweit, dass der Genehmigungsbeschluss selbst einen früheren Fälligkeitstermin bestimme, da der Anspruch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zur Entstehung gelangt sei.

Schließlich bestehe ein Hausgeldanspruch auch nicht etwa aus dem genehmigten Wirtschaftsplan des Vorjahres, da die Eigentümer eine Fortwirkung des alten Wirtschaftsplans für den Fall, dass ein neuer Wirtschaftsplan nicht beschlossen werde, nicht bestimmt hätten.

Hinsichtlich des Tatbestandes und des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 07.06.2019, Az.: 44 C 16/18 (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen das ihr am 01.07.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 31.07.2019 Berufung eingelegen und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.10.2019 mit Schriftsatz vom 16.09.2019, Eingang bei Gericht am 18.09.2019, begründet. Sie verfolgt mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Klagantrag weiter, soweit das Amtsgericht die Klage abgewiesen hat.

Die Klägerin trägt in zweiter Instanz vor:

Das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der im Umlaufverfahren gefasste Beschluss über den Wirtschaftsplan 2017 keine Wirkungen entfalte. Zwar sei die durch die schriftliche Mitteilung an die Eigentümer erfolgte Verkündung des Beschlussergebnisses materiell fehlerhaft, weil die Zustimmungserklärung des Miteigentümers Ö. nicht vorgelegen habe, jedoch führe dies nicht dazu, dass der verkündete Beschluss als nichtig bzw. „Nichtbeschluss“ anzusehen wäre (unter Hinweis auf: Merle in Bärmann, 10. Auflage, § 23 Randziffer 10, Drabek in Riecke/Schmidt § 23 Randziffer 47; Breiholdt, ZMR 2010, 168 (171); Müller ZWE 2007, 56; OLG Schleswig, Beschluss vom 20.01.2006, Az. 2 W 24/05, AG Hamburg-Barmbek, ZMR 2009, 406; LG Hamburg, Urteil vom 12.07.2017, Az. 318 5 31/16; BGH, Urteil vom 06.07.2018, Az. V ZR 221/17; LG Karlsruhe, Urteil vom 07.07.2017, 7 5 74/16). Verkünde der Initiator ein rechtswidriges Beschlussergebnis, bestehe ein Beschluss, der rechtmäßig werde, wenn er nicht rechtzeitig angefochten werde. Jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in welchen dem Gegenstand der schriftlichen Beschlussfassung bereits eine Wohnungseigentümerversammlung mit Erörterung des Beschlussgegenstands vorausgegangen sei und die sich nunmehr auf den Beschlussmangel berufende Beklagte selbst ihre Zustimmung zu dem Beschluss erteilt habe, sei von einer Abdingbarkeit des Allstimmigkeitserfordernisses des § 23 Abs. 3 WEG auszugehen.

Das Allstimmigkeitserfordernis des § 23 Abs. 3 WEG sei zwar Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den schriftlichen Wohnungseigentümerbeschluss, jedoch kein unabdingbares Tatbestandsmerkmal. Werde, wie im vorliegenden Fall, ein – wenn auch nicht rechtmäßiger – Beschluss verkündet, erwachse dieser mangels Anfechtung in Bestandkraft.

Insoweit sei die Situation mit der Beschlussfassung gem. § 22 Abs. 1 WEG vergleichbar. Auch hier sei die Zustimmung aller betroffener Eigentümer kein Tatbestandmerkmal für die Wirksamkeit der Beschlussfassung, sondern ein Rechtmäßigkeitsmerkmal. Auch ein ohne die Zustimmung aller beeinträchtigter Wohnungseigentümer gefasster Genehmigungsbeschluss erwachse mangels Anfechtung in Bestandkraft und sei somit in der Lage, fehlende Zustimmungen an die Seite zu drängen.

Schließlich hält die Klägerin es auch für treuwidrig und für einen Tatbestand ungerechtfertigter Bereicherung, dass die Beklagte im Jahr 2017 zusammen mit ihrem Ehemann das Restaurant auf Kosten der übrigen Wohnungseigentümer betrieben haben möchte, nachdem sie selbst mit Erklärung vom 25.10.2016 dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2017 zugestimmt habe.

Die Klägerin beantragt in zweiter Instanz, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Bremen vom 29.06.2018 in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck vom 07.06.2019 mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin € 13.662,34 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt in zweiter Instanz, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Amtsgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass kein wirksamer Genehmigungsbeschluss betreffend den Wirtschaftsplan 2017 zustande gekommen sei.

Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, warum es der Verwalterin nicht möglich gewesen sei, über die Hausgeldzahlungen für 2017 prüfbar abzurechnen und eine Gesamtabrechnung vorzulegen.

Zudem wiesen die von der Klägerin zum Nachweis der Bekanntmachung des Beschlusses vorgelegten Unterlagen Frau A. als eine der Empfängerinnen aus, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Beklagte Teileigentümerin gewesen sei.

Danach stehe fest, dass seitens der Verwalterin selbst eine ordentliche Verkündung des – unzutreffend formulierten – Beschlussergebnisses unterblieben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden; in der Sache hat sie aber keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass hinsichtlich des Beschlusses über die Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne 2017 wegen fehlender Allstimmigkeit ein sog. „Nichtbeschluss“ vorliegt, der keine Wirkungen entfaltet.

Nach § 23 Abs. 3 WEG ist ein Beschluss auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss schriftlich erklären. Das Umlaufverfahren kann durch den Verwalter, den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, dessen Stellvertreter oder jeden einzelnen Wohnungseigentümer eingeleitet werden. Der jeweilige Initiator des Umlaufverfahrens ist auch empfangsberechtigt für die erforderlichen Zustimmungen der Wohnungseigentümer (BeckOGK/Hermann, 1.3.2020 Rn. 118, WEG § 23 Rn. 118).

Für den Beschlussantrag gelten die allgemeinen Voraussetzungen. Es muss für jeden Wohnungseigentümer eindeutig erkennbar sein, dass der Antrag nicht nur auf eine unverbindliche Meinungsumfrage, sondern auf eine verbindliche Beschlussfassung gerichtet ist. Der Beschlussantrag muss zudem klarstellen, dass der angestrebte Beschluss im Umlaufverfahren gefasst werden soll und damit die Zustimmung aller Wohnungseigentümer voraussetzt. Er unterliegt keinem gesetzlichen Formerfordernis. (BeckOGK/Hermann, 1.3.2020 Rn. 121, WEG § 23 Rn. 121). Der Umlaufbeschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit einer doppelten Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Diese muss sich zum einen auf das Umlaufverfahren selbst, zum zweiten auch auf den beantragten Beschluss beziehen. Eine ausdrückliche Zustimmung zum Beschlussantrag kann dahingehend ausgelegt werden, dass der Erklärende zugleich auch dem Umlaufverfahren zustimmt (BeckOGK/Hermann, 1.3.2020, WEG § 23 Rn. 122).

Die Folgen der hier unstreitig fehlenden Allstimmmigkeit des Beschlusses werden – wie auch vom Amtsgericht, auf dessen Ausführungen insoweit Bezug genommen wird, ausgeführt – kontrovers diskutiert. Teilweise wird angenommen, dass aufgrund der Abdingbarkeit von § 23 Abs. 3 WEG kein Verstoß gegen eine zwingende Rechtsvorschrift gegeben sei, so dass kein nichtiger, sondern lediglich ein nach § 23 Abs. 4 WEG anfechtbarer Beschluss gegeben sei (Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 23 Rn. 116; BeckOGK/Hermann, 1.3.2020, WEG § 23 Rn. 131; vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 12.7.2017 – 318 S 31/16, ZWE 2018, 28 und OLG Schleswig, Beschluss vom 20. 1. 2006 – 2 W 24/05, NJW-RR 2006, 1525). Nach Auffassung der Kammer ist aber die Allstimmigkeit eine zwingende Voraussetzung für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren. Damit erscheint die Gleichstellung des Falles, in dem die Allstimmigkeit verfehlt wird, mit dem Fall, dass in einer Versammlung überhaupt keine Abstimmung stattfindet, zutreffend. Für sich betrachtet sind nämlich sowohl das Erreichen der Allstimmigkeit als auch die Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses lediglich notwendige, nicht aber hinreichende Bedingungen der Beschlussfassung. Im Ergebnis sind Beschlüsse, die im schriftlichen Umlaufverfahren ohne Zustimmung aller Eigentümer gefasst werden, als Nichtbeschlüsse anzusehen, da die Mindestanforderungen an die Willensbildung der Eigentümer nicht gewahrt sind (BeckOGK/Hermann, 1.3.2020, WEG § 23 Rn. 136; BeckOK WEG/Bartholome, 42. Ed. 1.8.2020, WEG § 23 Rn. 84; Hügel/Elzer, 2. Aufl. 2018, WEG § 23 Rn. 65; MüKoBGB/Engelhardt, 8. Aufl. 2020, WEG § 23 Rn. 33).

Da es mangels Zustimmung aller Wohnungseigentümer objektiv an einem Beschluss fehlt, spielt es unter Treuegesichtspunkten keine Rolle, ob die Beklagte selbst dem Beschluss zugestimmt hatte. Ebenso wenig kann eine Rolle spielen, ob der Beschlussantrag bereits zuvor in einer Eigentümerversammlung erörtert wurde.

2. Im Ergebnis liegt auch deshalb ein sog. „Nicht-Beschluss“ vor, weil es an der konstitutiven Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses fehlt. Wird ein Beschluss nicht verkündet, ist er nicht wirksam zustande gekommen, (BGH, Beschluss vom 23. 8. 2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339; BeckOGK/Hermann, 1.3.2020, WEG § 23 Rn. 93). Wegen der konstitutiven Wirkung der Verkündung kommt im schriftlichen Verfahren ein Beschluss erst mit der Feststellung und einer an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung des Beschlussergebnisses zu Stande (BGH, Beschluss vom 23.08.2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339; Bärmann/Pick/Merle, § 23 Rdnr. 93; Prüfer, S. 51ff.; so auch bereits KG, OLGZ 1974, 399 [403]; a.A. Staudinger/Bub, § 23 WEG Rdnr. 218; Weitnauer/Lüke, § 23 Rdnr. 11; Niedenführ/Schulze, § 23 Rdnr. 13). Da es nur um eine entsprechende Anwendung der Regeln zur Beschlussfeststellung und -bekanntgabe in der Wohnungseigentümerversammlung gehen kann, ist dies nicht im Sinne des Zugangs der Mitteilung bei jedem einzelnen Eigentümer zu verstehen. Es genügt jede Form der Unterrichtung (etwa durch einen Aushang oder ein Rundschreiben), die den internen Geschäftsbereich des Feststellenden verlassen hat, und bei der den gewöhnlichen Umständen nach mit einer Kenntnisnahme durch die Wohnungseigentümer gerechnet werden kann (vgl. Merle, PiG 18, 125 [134]; Bärmann/Pick/Merle, § 23 Rdnr. 93; a.A. Prüfer, S. 56f.). Bereits zu dem Zeitpunkt, in dem diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein Beschluss im schriftlichen Verfahren existent geworden (BGH, Beschluss vom 23.08.2001 – V ZB 10/01, NJW 2001, 3339). Eine solche Bekanntmachung liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat ausweislich der von ihr vorgelegten Anlagen (unbezeichnete Anlagen, Bl. 146 bis 148 d.A.), insoweit unstreitig, die Schreiben vom 16.11.2016, mit denen die Beschlussbekanntmachung an die Wohnungs- und Teileigentümer bekannt gemacht werden sollte, an die Eigentümer (…) die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Teileigentümerin war, hingegen nicht an die an deren Stelle getretene Beklagte, versandt. Damit fehlt es an einer Verlautbarung des Beschlusses, bei der nach gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme durch die Wohnungs- und Teileigentümer gerechnet werden konnte. Hierfür wäre die Versendung an die aktuellen Eigentümer notwendig gewesen. Darauf, ob die Beklagte später Kenntnis von dem vermeintlichen Beschlussergebnis erhalten hat, kann es nicht ankommen. Da die Anfechtungsfrist gem. 46 Abs. 1 WEG bei Beschlussfassung im Umlaufverfahren nach § 23 Abs. 3 WEG mit der Bekanntmachung beginnt (BeckOGK/Karkmann, 1.3.2020, WEG § 46 Rn. 54), muss diese objektiv feststellbar sein und kann nicht davon abhängen, ob die Wohnungseigentümer irgendwann (zufällig) tatsächlich Kenntnis von dem Beschlussergebnis erlangen.

3. Die von der Beklagten gerügte fehlende Schriftlichkeit ihrer Erklärung stünde der Wirksamkeit des Beschlusses hingegen nicht entgegen, da insoweit ein formeller Mangel der Beschlussfassung vorliegt, der lediglich zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führt (LG Karlsruhe, Urt. v. 7.7.2017 – 7 S 74/16, ZWE 2017, 362 Rn. 19-21; Bärmann/Pick/Emmerich, 20. Aufl. 2020, WEG § 23 Rn. 82).

4. Soweit die Klägerin anführt, es liege eine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten vor, so fehlt es an der Darlegung der Voraussetzungen eines Anspruchs nach den §§ 812 ff BGB. Als Grundlage für die begehrte Hausgeldzahlung kommen die §§ 812 ff BGB nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

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