In einem aktuellen Rechtsstreit geht es um den Wegfall der Preisbindung für öffentlich geförderten Wohnraum und die damit verbundene Frage, welche Miete nun geschuldet ist. Die Entscheidung des Gerichts betrifft die materiellen Voraussetzungen des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) und die Rechtsfolgen, die sich aus dem Wegfall der Preisbindung ergeben. Die Klägerin und die Beklagte haben unterschiedliche Auffassungen zur Vertragsanpassung und zur Existenzgefährdung des Vermieters vorgebracht. Das Urteil hat vorläufige Vollstreckbarkeit, die Revision wurde jedoch nicht zugelassen.
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Übersicht
Hintergrund und Rechtslage
Gemäß dem gemeinsamen Willen der Parteien gilt das WoBindG und das Wohnraummietrecht für das Mietverhältnis. Die Eigenschaft „öffentlich gefördert“ ist eine wesentliche Voraussetzung des WoBindG und führt zum Entfallen der Erhöhungsmöglichkeiten. Die Rechtsfolge entspricht somit der gemeinsamen Geschäftsgrundlage. Eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB kommt nur in Betracht, wenn das Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar ist. Im vorliegenden Fall wurde keine Unzumutbarkeit für die Beklagte festgestellt.
Auswirkungen des Wegfalls der Preisbindung
Der Wegfall der Preisbindung führt nicht zu untragbaren Ergebnissen für den Vermieter, da die Parteien einvernehmlich die Geltung des WoBindG vereinbart haben. Die Existenzgefährdung oder wirtschaftliche Beeinträchtigung der Beklagten wurde nicht ausreichend vorgetragen. Die Möglichkeit des Wegfalls der Sozialbindung muss von beiden Parteien berücksichtigt werden, da die öffentliche Förderung nicht dauerhaft gewährt wird.
Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete
Die Feststellung der ortsüblichen Miete obliegt dem Tatrichter und erfordert eine konkrete Ermittlung der Einzelvergleichsmiete. Ein einfacher Mietspiegel kann ein Indiz für die ortsübliche Vergleichsmiete sein. Im vorliegenden Fall wurden die Berliner Mietspiegel von 2013 und 2015 herangezogen. Die zuletzt gezahlte Kostenmiete dient als Ausgangsmiete für die gesetzlich möglichen Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB.
Das Gericht hat entschieden, dass der Wegfall der Preisbindung nicht zu einer Änderung der Miethöhe führt. Die Klägerin ist verpflichtet, die zuletzt an den Vermieter gezahlte Kostenmiete weiterhin als Marktmiete zu entrichten. Das Rückforderungsverlangen der Klägerin wurde nicht als unbillig eingestuft, da sie das Auskunftsrecht gemäß § 18 WoBindG nicht rechtzeitig wahrgenommen hat. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar und eine Revision wurde nicht zugelassen.
Das vorliegende Urteil
KG – Az.: 8 U 1144/20 – Urteil vom 08.05.2023
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05. Oktober 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin – 51 O 2/20 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.472,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.521,95 Euro seit dem 27.04.2019 sowie aus 950,20 Euro seit dem 28.02.2020 zu zahlen.
Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10% leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 05. Oktober 2020 verkündete Urteil der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Das Landgericht verkenne, dass hier ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vorliegen könne. Denn die Eigenschaft „öffentlich gefördert“ gehöre gerade zu den materiellen Voraussetzungen des als anwendbar vereinbarten Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG). Die Rechtsfolge – das Entfallen der Erhöhungsmöglichkeit – entspreche gerade der gemeinsamen Geschäftsgrundlage, denn diese Rechtsfolge ergebe sich unmittelbar aus dem nach dem gemeinsamen Willen der Parteien anwendbaren WoBindG.
Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des § 313 BGB komme zudem nur in Betracht, wenn ein Festhalten am Vertrag für die betreffende Partei unzumutbar sei. Eine Unzumutbarkeit für die Beklagte könne nicht angenommen werden. Grundsätzlich trage allein der Vermieter bei langfristigen Mietverträgen typischerweise das Risiko der Preisabsprache. Es verhalte sich hier auch nicht so, dass sich einzelne vertragliche Vereinbarungen der Parteien über mögliche Mieterhöhungen überraschend als unwirksam herausgestellt hätten. Vielmehr hätten die Parteien – wie dargestellt – die Mietverträge dem Regelungsregime des Wohnungsbindungsgesetzes unterstellt. Wenn die Voraussetzungen für die Mieterhöhungen materiell nicht mehr gegeben seien, führe dies nicht zu untragbaren Ergebnissen für den Vermieter. Vielmehr sei dies schlicht die Folge der übereinstimmenden Parteivereinbarungen zur Geltung des WoBindG. Die Beklagte habe nichts zu einer etwaigen Existenzgefährdung oder einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung vorgetragen.
Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des BGH – VIII ZR 60/09 – sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Mit der Möglichkeit des Wegfalls der Sozialbindung müsse jede Partei rechnen, insbesondere sei klar, dass die öffentliche Förderung nicht dauerhaft gewährt werde.
Zudem habe der BGH in der genannten Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass die Anpassung des Vertrages nicht in der Weise erfolgen müsse, dass der Mieter die an sich unwirksamen Mieterhöhungen unabhängig von der Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete in vollem Umfange gegen sich gelten lassen müsse. Obergrenze für die Anpassung sei die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel, welche im Einzelnen festgestellt werde müsse. Wenn man eine Vertragsanpassung annehmen wollte, so hätte das Landgericht Beweis über die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete erheben müssen. Hierfür sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
Soweit das Landgericht der Ansicht sei, dass die Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar seien, weil es sich um ein Gewerbemietverhältnis handele, überzeuge dies nicht.
Da die Parteien die Geltung des WoBindG vereinbart hätten, sei damit zugleich auch vertraglich die Geltung des Wohnraummietrechts vereinbart. Dementsprechend sei die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnungen festzustellen.
§ 6 Nr. 5 des Mietvertrages könne nur dahin verstanden werden, dass hier nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien auch die für das Wohnraummietrecht geltenden Mieterhöhungsmöglichkeiten gemäß §§ 558 ff. BGB gelten sollen.
Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der ortsüblichen Miete obliege indes der Beklagten als Vermieterin. Die Ausführungen des Landgerichts, die Klägerin habe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die von der Beklagten verlangte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete (wesentlich) überschreite, sei daher verfehlt.
Soweit das Landgericht meine, die Beklagte habe sich in § 6 Nr. 5 ein Recht auf Erhöhung der Miete vorbehalten, gehe auch dies fehl. Gesetzliche Bestimmungen zur Erhöhung der Miete gebe es in Gewerberaummietverhältnissen nicht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des am 05.10.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin – 51 O 2/20 – zu verurteilen, an die Klägerin 31.472,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 30.521,95 Euro seit dem 27.04.2019 sowie aus 950,20 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert: Die Klägerin habe auf die Mieterhöhungen vom 01.08.2013, 01.08.2014 sowie 01.09.2015 vorbehaltlos Zahlungen geleistet und hierdurch die erhöhten Mieten anerkannt. Unbedingte Zahlungen nach Mieterhöhungen seien als eine (konkludente) Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhungserklärung zu werten (s. BGH Beschluss vom 30.01.2018 – VIII ZB 74/16).
Ungeachtet dessen sei in den Mieterhöhungserklärungen eine Änderungskündigung zu sehen. Im Gewerberaummietverhältnis sei eine Änderungskündigung zulässig, wenn der Gewerberaummieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den Konditionen des früheren Mietverhältnisses, allerdings nur unter einer Mieterhöhung, anbiete. Eine unzulässige Rechtsausübung liege hierin nicht (s. BGH MDR 1980,834).
Die Parteien hätten für die Dauer der Gewerberaummietverhältnisse eine Kostenmiete nach den §§ 8,10 WoBindG vereinbart. Die streitgegenständlichen Mietverträge würden eine regelmäßige Mietanpassung regeln. Es erschließe sich nicht, weshalb die Beklagte in einem gewerberaummietrechtlichen Verhältnis die ortsübliche Vergleichsmiete darlegen müsse. Maßgeblich sei die Marktmiete, die die Klägerin hätte darlegen müssen.
Dem Rückforderungsanspruch stehe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Ansprüche seien ohnehin verjährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist – mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsanspruchs – begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückforderung überzahlter Miete für den Zeitraum von 01. August 2013 bis 31. Juli 2016 für die 12 Wohnungen in der W. straße 41 und 42 sowie Z. straße 6 in Berlin in Höhe von 31.472,15 Euro zu (§ 812 Abs. 1 BGB).
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Mieterhöhungserklärungen der Beklagten vom 04.07.2013, 07.07.2014 und 07.05.2015 (Anlagen K 5 bis K 7) im Hinblick auf den (rückwirkenden) Wegfall der Sozialbindung unwirksam sind.
Bei den schriftlichen (im Wesentlichen wortgleichen) Mietverträgen aus den Jahren 1989 bis 1998 über die 12 Wohnungen handelt es sich – wovon die Parteien übereinstimmend ausgehen – um gewerbliche Mietverhältnisse, wobei der Vertragszweck in der Weitervermietung zum Zwecke der Überlassung der Räume zum Wohnen an einen bedürftigen Personenkreis liegt. Hierbei handelt es sich um Gewerbemietverhältnisse (s. BGH Urteil vom 16.07.2008 – VIII ZR 282/07, NJW 2008, 3361; BGH Urteil vom 13.01.2021 – VIII ZR 66/19, NZM 2021,218, Rn 23; s. Senatsurteil vom 27.08.2015 – 8 U 192/14, Grundeigentum 2015,1397, Rn 29).
In den Mietverträgen ist hinsichtlich der Miete in § 6 u.a. Folgendes vereinbart:
„1…
3. Die Einzelmiete erhöht sich um DM 0,20, wenn Fördermittel durch die Wohnungsbaukreditanstalt Berlin gekürzt werden. Nach Rückzahlung der Fördermittel durch den Grundstückseigentümer sind die Mietpreisbindungen aufgehoben und es gelten die gesetzlich zulässigen Erhöhungen.
4…
5. Der Vermieter ist berechtigt, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses jeweils nach Ablauf eines Jahres zum Zwecke der Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zu verlangen.
6. Alle allgemein oder im konkreten Fall eintretenden Mieterhöhungen und/oder Erhöhungen sowie Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstückslasten jeder Art sind vom Zeitpunkt des Eintritts ab vereinbart und vom Mieter zu zahlen…
9. Alle durch gesetzliche oder behördliche Regelungen allgemein oder im einzelnen Fall zugelassenen Mieterhöhungen oder Erhöhungen bzw. Neueinführungen von Nebenkosten und Grundstückslasten aller Art gelten vom Zeitpunkt der Zulässigkeit an als vereinbart, ohne dass es einer Mieterhöhungserklärung gemäß § 18 I.BMG bzw. § 10 WoBindG bedarf. Gilt die Kostenmiete, so ist der Vermieter zu rückwirkenden Erhöhungen vom Zeitpunkt der Entstehung der erhöhten Kosten an nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmunen berechtigt (§ 4 Abs. 8 NMV 1970, § 10 WobindG). …“
In der Anlage zum Vertrag wird ferner ausgeführt:
„Die Wohnung, …, ist im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau errichtet worden. Sie unterliegt den Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes – WobindG – in der jeweils geltenden Fassung und ist gesetzlich preisgebunden. Die Miete für die Wohnung darf nur so hoch sein, dass sie zuzüglich der Umlagen (Betriebskosten) die laufenden Aufwendungen des Vermieters deckt…“
Nachfolgend wird ausgeführt, dass die Aufwendungshilfen für die Dauer von 15 Jahren gezahlt werden und mit Beginn des 3. Jahres ab mittlerer Bezugsfertigkeit in Abständen von jeweils einem Jahr gekürzt werden. Die Miete steigt aus diesem Grund automatisch nach Ablauf des zweiten Förderjahres jeweils jährlich. Weiter wird darauf hingewiesen, dass außerplanmäßige Kürzungen der bewilligten Aufwendungshilfen möglich sind, die zu entsprechenden weiteren Mieterhöhungen führen können.
Nach diesen mietvertraglichen Vereinbarungen sind die Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes für die vorliegenden Mietverhältnisse vereinbart. Hiervon ist auch der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in der Entscheidung vom 12.04.2007 – 12 U 65/06, Grundeigentum 2007,1188, Rn 10ff. ausgegangen. Der Entscheidung lag ein Mietvertrag zugrunde, nach dessen Anlage (mit der vorliegenden insoweit wortgleich) darauf hingewiesen wird, dass die Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes gelten.
Mieterhöhungen waren – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – demgemäß nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Wohnungsbindungsgesetzes möglich.
Da die Parteien die Geltung des Wohnungsbindungsgesetzes vereinbart haben, waren Mieterhöhungen auch (nur) nach den zur Mieterhöhung maßgeblichen Regelungen der §§ 8- 10 WoBindG berechtigt. Nach diesen Vorschriften wird die Mieterhöhung auf die Kostenmiete (§§ 8, 8a und 8b WoBindG) durch Erklärung gegenüber dem Mieter – bei Berechnung und Erläuterung – wirksam (§ 10 Abs. 1 WoBindG).
Durch bestandskräftigen Bescheid des Wohnungsamtes F… vom 23.09.2015 ist rückwirkend zum 31.12.2012 die Eigenschaft der Räume als „öffentlich gefördert“ weggefallen (s. Schreiben der I… B… vom 28.03.2019, Anlage K 8). Die bei Abschluss der Mietverträge gegebene Sozialbindung sowie die Voraussetzungen des Wohnungsbindungsgesetzes lagen bei Stellung der Mieterhöhungsverlangen vom 04.07.2013, 07.07.2014 und 07.05.2015 nicht mehr vor. Dies hat zur Folge, dass – anders als die Mieterhöhungserklärungen vom 10.07.2012 (Anlage K 4) – die Mieterhöhungserklärungen aus den Jahren 2013 bis 2015 (Anlage K 5 bis K 11) gegenüber der Klägerin unwirksam waren.
Durch die einseitigen Mieterhöhungserklärungen der Beklagten und die vorbehaltlosen Zahlungen der Klägerin sind – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine Vereinbarungen über die Mieterhöhungen zustande gekommen.
Die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 30.01.2018 – VIII ZB 74/16 (Grundeigentum 2018, 325) ist für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Der Beschluss des BGH betrifft zustimmungspflichtige Mieterhöhungen gemäß § 558 BGB. Vor Abgabe der Zustimmung oder Fiktion (§ 894 ZPO) besteht kein Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete (Weidenkaff in: Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 558 BGB, Rn 7ff.).
Eine Erhöhung der Kostenmiete gemäß § 8 WoBindG erfolgt demgegenüber aufgrund einseitiger Erklärung durch den Vermieter gemäß § 10 WoBindG und bedarf daher nicht der (ausdrücklichen oder konkludenten) Zustimmung durch den Mieter, sondern tritt bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erhöhung ein. Die Kostenmiete kann weder frei bestimmt werden, noch kann ihre Vereinbarung abbedungen werden (Schreiber in: Vermietung in Zeiten der Mietpreisregulierung, 2021, Seite 57). Daher kann aus der vorbehaltlosen Zahlung durch die Mieterin – hier die Klägerin – für die Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens nach § 10 WoBindG nichts hergeleitet werden (s. BGH Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 199/04, Rn 12.ff.; Emmerich in: Staudinger, BGB, 2021, § 535 BGB, Rn 35 m.w.N.).
In den Mieterhöhungserklärungen ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch keine Änderungskündigung zu sehen. Die Beklagte beruft sich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 18.04.1980 – V ZR 16/79 (MDR 1980, 843) darauf, dass im Gewerberaummietrecht eine Änderungskündigung zum Zwecke der Mieterhöhung zulässig sei und keine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Auch insoweit liegt ein vergleichbarer Sachverhalt nicht vor. In den ausgebrachten Mieterhöhungserklärungen hat die Beklagte keine Kündigung (ausdrücklich oder konkludent) erklärt, sondern sich für die Mieterhöhung allein auf die ihrer Ansicht nach geschuldete Kostenmiete nach § 10 WoBindG berufen.
Da die Mieterhöhungen im Hinblick auf den (rückwirkenden) Wegfall der Sozialbindung unwirksam sind, ist ein Anspruch der Beklagten gemäß § 313 BGB auf Anpassung der Verträge zu prüfen (vgl. BGH Urteile vom 24.03.2010 24.03.2010 – VIII ZR 60/09 und – VIII ZR 160/09 (NZM 2010,398) und vom 07.07.2010 – VIII ZR 279/09, ZMR 2010,944).
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (Grüneberg, aaO, § 313 BGB, Rn 3 mNW; s. Senatsurteil vom 01.04.2021 – 8 U 1099/21, Grundeigentum 2021, 570, Rn 103 mNW).
Der BGH hat in den Entscheidungen vom 24.03.2010 angenommen, dass die Voraussetzungen des § 313 BGB hinsichtlich der Preisgebundenheit vorliegen. In den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten sind die Parteien eines Wohnraummietvertrages bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Wohnung der Preisbindung unterlag. Da dies nicht der Fall war, hat der BGH angenommen, dass eine Anpassung des Wohnraummietvertrages wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt und eine Vertragsanpassung erforderlich ist (s. BGH, aaO, Rn 16). Eine Vertragsanpassung kann allerdings nicht ohne Rücksicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete erfolgen; Obergrenze für eine Anpassung ist die ortsübliche Vergleichsmiete. Dem Mieter kann die Rückforderung der gezahlten Miete insoweit nicht verwehrt werden, als er Zahlungen über die ortsübliche Miete hinaus erbracht hat (BGH – VIII ZR 60/09, aaO, Rn 19; BGH Urteil – VIII ZR 160/09, aaO, Rn 22ff.).
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar.
Bei Abschluss der Mietverträge sind die Vertragsparteien von der Preisgebundenheit ausgegangen und die damit verbundene Möglichkeit, auf Vermieterseite die Kostenmiete erheben zu können. Die Räumlichkeiten wurden bei Anmietung in den Jahren 1989 bzw. 1998 bis zum Erlass des Bescheides der Behörde am 23.09.2015 öffentlich gefördert, so dass die Vorschriften des WoBindG anwendbar waren. Die Sozialbindung der Wohnungen und die damit verbundene günstige Miete waren auf Seiten der Klägerin gerade Grund für die Anmietung (siehe so LGU Seite 7).
Der Vermieter durfte hiernach nur die preisrechtlich zulässige Miete (Kostenmiete) verlangen. Hierunter ist das Entgelt zu verstehen, welches zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (§ 8 Abs. 1 WoBindG). Die Kostenmiete ist für beide Parteien verbindlich; sie kann nicht durch vertragliche Vereinbarungen abbedungen werden (Schüller in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, II, Rn 113). Die zweite wesentliche Verpflichtung des Vermieters aus der Förderung besteht in der Belegungsbindung. Der Verfügungsberechtigte darf die Wohnung nur an einen Wohnungssuchenden überlassen, der zu dem von der Förderung der Wohnungen begünstigten Personenkreis gehört. Die Überlassung kann – wie hier – auch über einen gewerblichen Zwischenvermieter erfolgen, wobei durch den Mietvertrag sicherzustellen ist, dass nur an den berechtigten Personenkreis vermietet wird und die zulässige Miete nicht überschritten wird (Schüller, aaO, II, Rn 113).
Diese Geschäftsgrundlage ist weggefallen, weil die Eigenschaft „öffentlich gefördert“ aufgrund des Bescheides des …samtes F… vom 23.09.2015 (Anlage K 8) rückwirkend zum 31.12.2012 entfiel.
Beide Parteien gingen danach davon aus, dass die Kostenmiete als preisrechtlich zulässige – in der Regel im Vergleich zum freien Wohnungsmarkt günstigere – Miete jedenfalls solange zu verlangen ist, wie Fördermittel ausgereicht würden. Zur Geschäftsgrundlage ist hiernach auch geworden, dass eine rückwirkende Aufhebung der Eigenschaft „öffentlich gefördert“ nicht erfolgen würde. Der Beklagten ist es nach Wegfall der Sozialbindung unzumutbar die erhaltenen Kostenmieten zurückzuzahlen, soweit sie über die bis zum 31.12.2012 geschuldeten Mieten hinausgingen, weil sie durch die Rückwirkung des Bescheides vom 23.09.2015 gehindert war, die Vereinbarung erhöhter Mieten zu verlangen.
Nach § 6 Ziffer 3 Satz 2 und Ziffer 5 des Mietvertrages (Anlage K 1) (insoweit wortgleich in allen 12 Mietverträgen) sind für den Zeitraum nach Wegfall der Preisbindung die Mieterhöhungsmöglichkeiten gemäß §§ 558 ff. BGB vereinbart.
In § 6 Ziffer 3 ist – wie ausgeführt – geregelt, dass im Falle des Wegfalles der Mietpreisbindung die gesetzlich zulässigen Erhöhungen gelten sollen. In Ziffer 5 heißt es weiter, dass der Vermieter berechtigt ist, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses jeweils nach Ablauf eines Jahres zum Zwecke der Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zu verlangen. Diese Regelungen sind dahin zu verstehen, dass die Parteien in Bezug auf den Mietzins Wohnraummietrecht vereinbart haben. Bei Wegfall der Preisbindung ist deshalb anzunehmen, dass auch – wie im Wohnraummietrecht – die ortsübliche Vergleichsmiete für preisfreien Wohnraum und Mieterhöhungsmöglichkeiten gemäß §§ 558 ff. BGB gelten sollten.
Eine Mietanpassung kommt dann nur bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2010 – VIII ZR 160/09, aaO, Rn 23; BGH vom 16.06.2010 – VIII ZR 258/08, Rn 13).
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, dass die Vorschriften des §§ 558- 558e BGB nicht einzuhalten seien, sondern die Parteien durch die Regelung in § 6 Ziffer 6 des Mietvertrages auch eine einvernehmliche Erhöhung der Miete gemäß § 557 Abs. 1 BGB in den Blick genommen hätten. Sie beruft sich darauf, dass die (unwirksamen) Mieterhöhungserklärungen in Angebote auf Abschluss von Vereinbarungen über die Miethöhe umzudeuten seien, welche konkludent durch Zahlung angenommen worden seien.
Zum einen lässt sich ein solcher Erklärungsgehalt den Mieterhöhungserklärungen nicht beimessen, weil sie sich ausdrücklich auf mögliche Mieterhöhungen nach dem Wohnungsbindungsgesetz (§§ 8-10 WoBindG) Bezug nehmen. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Klägerin, auf deren Empfängerhorizont es ankommt (Ellenberger in: Grüneberg, aaO, § 133 BGB, Rn 9 mNW), die Erhöhungserklärungen als Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung aufgefasst hat und sie durch die Zahlungen eine konkludente Willenserklärung hätte abgeben wollen.
Rückforderungsansprüche der Klägerin gemäß § 812 BGB bestehen daher insoweit als die von ihr gezahlten Mieten über die gesetzlich zulässigen Mieterhöhungen hinausgehen. Da die Beklagte Vertragsanpassung verlangt, ist sie darlegungs- und beweispflichtig, welche Mieterhöhungen sie nach §§ 558 ff BGB hätte durchsetzen können (BGH Urteil vom 24.03.2010 – VIII ZR 160/09, Rn 23).
Als Ausgangsmiete für die gesetzlich möglichen Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB gilt nach der Rechtsprechung des BGH vom 16.06.2010 – VIII ZR 258/09, aaO, Rn 13, die zuletzt gezahlte Kostenmiete. Der BGH hat in der Entscheidung ausgeführt, dass der Wegfall der Preisbindung „nicht zu einer Änderung der Miethöhe“ führt und der Mieter verpflichtet ist, „die zuletzt an den Vermieter gezahlte Kostenmiete“ nunmehr als Marktmiete weiter zu entrichten. Weiter spricht der BGH von der „Fortgeltung der zuletzt geschuldeten Kostenmiete (einschließlich eines etwaigen Kostenmietzuschlags) als Ausgangsmiete für die nunmehr preisfreie Wohnung“ (BGH, aaO, Rn 15) [Hervorhebbg.d.d.Senat].
Soweit die Beklagte die Entscheidung des BGH vom 16.06.2010 in dem Sinne versteht, dass der BGH zwischen der gezahlten und der als Marktmiete geschuldeten Miete differenziere, folgt der Senat dem nicht. Wie ausgeführt, hat der BGH in der Entscheidung ausdrücklich formuliert, dass der Wegfall der Preisbindung nicht zu einer Änderung der Miethöhe (als Ausgangsmiete für die nunmehr preisfreie Wohnung) führe. Die geschuldete Miete entspricht der zu diesem Zeitpunkt zutreffenden – und auch der gezahlten – Miete.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Landgerichts vom 27.06.2011 – 67 S 444/10, Rn 10 und vom 20.06.2015 – 63 S 383/14, Rn 6 auf ein Recht zum Widerruf ihres vorherigen Verzichts auf Erhebung der vollen Kostenmiete.
Die Beklagte hat seit Auslaufen der Preisbindung zum 31.12.2012 keinen Anspruch mehr auf die volle Kostenmiete.
Aus den (noch) wirksam ausgebrachten Mieterhöhungserklärungen vom 10. Juli 2012 (Anlage K 4) lässt sich ein Widerruf des Verzichts auch nicht entnehmen. Hierin weist die Beklagte (beispielsweise für die Wohnung Nr. 150/5/52) darauf hin, dass die Miete auf die Kostenmiete gemäß § 8 WoBindG, d.h. auf 12,7352 Euro/m² monatlich angehoben werden könne, ohne dass es der Zustimmung durch den Mieter bedarf (§ 10 WoBindG). Weiter teilte die Beklagte mit, dass die Miete für die Wohnung zum 01.08.2012 von derzeit 6,80 Euro/m² monatlich auf 7,00 Euro/m² erhöht wird. Ein Widerruf des Verzichts ist hierin nicht erklärt worden. Im Gegenteil: die Beklagte hat zwar auf die zulässige Kostenmiete hingewiesen, aber nur geringere Beträge verlangt.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass sie nach den verwaltungsrechtlichen Vorschriften gemäß § 48 VwVfG schutzwürdig sei und die Klägerin sich deswegen nicht auf den Wegfall der Wohnungsbindung rückwirkend zum 31.12.2012 berufen könne, geht dies fehl.
Die Vorschrift des § 48 VwVfG, welche die Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte durch Rücknahme regelt, betrifft das Verhältnis der Behörden zum Adressaten eines Verwaltungsaktes und nicht das Verhältnis von durch zivilrechtlichen Vertrag – wie vorliegend der Mietvertrag – verbundene Parteien. Hieraus kann die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin nichts Günstiges herleiten. Dass die Beklagte – wie sie geltend macht – „im guten Glauben“ auf den Fortbestand der Wohnungsbindung und der (wirksamen) Erhöhung der Kostenmiete über den 31.12.2012 hinaus gewesen sein mag, ändert hieran nichts. Auch die Klägerin ist insoweit gleichermaßen betroffen.
Ohne Erfolg macht die Beklagte weiter geltend, dass das Rückforderungsverlangen der Klägerin unbillig sei, weil die Klägerin das in § 18 WoBindG geregelte Auskunftsrecht nicht rechtzeitig während der Wohnungsdauer wahrgenommen habe.
Gemäß § 18 Abs. 1 WoBindG hat die zuständige Stelle dem Verfügungsberechtigten und bei berechtigtem Interesse auch dem Mieter schriftlich zu bestätigen, von welchem Zeitpunkt an die Wohnung nicht mehr als öffentlich gefördert gilt. Die Bestätigung ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verbindlich.
Hiernach kann sowohl der Vermieter als auch der Mieter eine entsprechende Bestätigung verlangen. Es ist danach nicht ersichtlich, dass eine von der Beklagten reklamierte „Unbilligkeit“ der Rückforderung sich aus der fehlenden Anfrage des Mieters ergeben sollte. Die Beklagte behauptet auch selbst nicht, dass die Klägerin Anhaltspunkte gehabt habe, dass die Förderung rückwirkend aberkannt worden ist.
Die I… B… hat zudem noch mit Schreiben vom 25.09.2015 an die Klägerin (Anlage K 11) mitgeteilt, dass die Eigentümerseite die Kostenmiete bis zum Ende der Eigenschaft „öffentlich gefördert“ geltend machen kann und die Eigenschaft „öffentlich gefördert“ mit Ablauf des 31.12.2020 ende. Erst mit Schreiben vom 28.03.2019 (Anlage K 8) hat die I… B… der Klägerin nach nochmaliger Prüfung den zutreffenden Sachverhalt mitgeteilt. Bis dahin sind beide Parteien davon ausgegangen, dass die Wohnungen (trotz fehlender Anschlussförderung und Reduzierung der Kostenmiete) weiterhin „als öffentlich gefördert“ gelten.
Nach Wegfall der Sozialbindung sind daher – wie unter Ziffer 18 dargelegt – die streitgegenständlichen Mieten wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) entsprechend den Voraussetzungen des § 558 BGB anzupassen. Hiernach sind die möglichen Mieterhöhungen für die 12 Wohnungen unter Berücksichtigung dieser maßgeblichen Vorschrift zur Mieterhöhung festzustellen.
Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ist bereits unabhängig von der Entwicklung der ortsüblichen Miete in Höhe von 20.032,93 Euro begründet.
26.1 Die Beklagte hat die Kostenmieten aufgrund der Mieterhöhungserklärungen zum 01.08.2012 wirksam erhöht. Diese Mieten sind – wie unter Ziffer 20 dargelegt – als Ausgangsmieten zu Grunde zu legen.
26.2 Danach hätte die Beklagte die Mieten unter Einhaltung der Wartefrist des § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB erst zum 01.11.2013 erhöhen können. Die eingeklagten Rückforderungsansprüche für August bis Oktober 2013 sind hiernach in einer Gesamthöhe von 3 x 73,11 Euro = 219,33 Euro (s. S. 6 f. der Klageschrift) begründet.
26.3 Die bis Juli 2013 gezahlten Mieten hätten innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums bis Juli 2016 wegen der zu berücksichtigenden Kappungsgrenze gemäß § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB maximal um 15% erhöht werden können. Die Rückforderungsansprüche für den Zeitraum ab September 2015 sind daher schon wegen Überschreitung dieser Kappungsgrenze in Höhe eines Teilbetrages von 24.974,79 Euro begründet, wie sich aus nachfolgender Berechnung ergibt:
……………
Summierte Rückzahlungsansprüche wegen Überschreitung der Kappungsgrenze: 24.974,79 Euro
Zzgl. Rückzahlungsansprüche für 8-10/13 (vor erstmöglicher Mieterhöhung): 219,33 Euro Summe Rückzahlungsansprüche unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Miete: 25.194,12 Euro.
Die Kläger hat in der Klageschrift mit den Rückforderungsansprüchen die Aufrechnung gegen Nachforderungen der Beklagten aus Nebenkostenabrechnungen in Höhe von 5.161,19 Euro erklärt.
Der Kläger steht hiernach unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Miete ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 20.032,93 Euro zu.
Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ist darüber hinaus insgesamt begründet, weil die Mietzahlungen der Klägerin die ortsübliche Miete für die streitgegenständlichen Wohnungen überstiegen.
Der Senat hat sich gemäß § 287 ZPO zur Feststellung der ortsüblichen Miete der Berliner Mietspiegel 2013 und 2015 bedient. Diese sind ein geeignetes Mittel für die Feststellung der ortsüblichen Miete (s. Börstinghaus/Clar, Mietspiegelrecht 2023, § 558b BGB, Rn 12 mNW).
Die Feststellung der ortsüblichen Miete obliegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Tatrichter und erfordert im Ergebnis eine konkrete Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete (s. BGH Urteil vom 13.02.2019 – VIII ZR 245/17, Grundeigentum 2019, 377, Rn 13 m.w.N.). Auch ein einfacher Mietspiegel, dem nicht die in § 558d Abs. 3 BGB vorbehaltene Vermutungswirkung eines qualifizierten Mietspiegels zukommt, stellt ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (BGH Urteil vom 13.02.2019, aaO, Rn 17; BGH Urteil vom 18.11.2020 – VIII ZR 123/20, Grundeigentum 2021, 49, Rn 33). Es hängt dann von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Mietspiegel für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausreicht. Maßgebend für die Reichweite der Indizwirkung sind dabei insbesondere die Qualität des (einfachen) Mietspiegels und die Einwendungen der Parteien gegen den Erkenntniswert der darin enthaltenen Angaben (BGH Urteile vom 16.06.2010 – VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946, Rn 12 und vom 21.11.2010 – VIII ZR 46/12, NJW 2013,775, Rn 16; vom 03. 07.2013 – VIII ZR 269/12, NJW 2014, 292, Rn 32).
Den Mietspiegeln für 2013 und 2015 kommt hiernach als einfache Mietspiegel eine Indizwirkung zu (siehe für Mietspiegel 2013: LG Berlin Urteil vom 14.04.2016 – 18 S 125/15, Rn 10; für Mietspiegel 2015: LG Berlin Urteil vom 09.08.2016 – 18 S 111/15, Grundeigentum 2016,1142, Rn 23; rechtskräftig nach Zurückweisung der Beschwerde zum Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin).
Die Beklagte hat keine konkreten Bedenken gegen die Eignung der beiden Berliner Mietspiegel als Beweismittel erhoben und nicht (konkret) geltend gemacht, dass und aus welchen Gründen den Mietspiegeln die Indizwirkung abzusprechen wäre.
Der Senat konnte daher im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO die Daten der Mietspiegel zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde legen.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der ortsüblichen Miete kam trotz des von der Beklagten eingereichten Gutachtens des Sachverständigen S… vom 22.01.2016 (Anlage BB 2) nicht in Betracht. Das Sachverständigengutachten ist als sogenanntes Typengutachten zum Stichtag 22.01.2016 erstellt worden. Das Typengutachten stellt zwar im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens ein förmliches Begründungsmittel dar, ist jedoch hinsichtlich seiner Beweiskraft zur Ermittlung der ortsüblichen Miete deutlich verringert. Jedenfalls ist es in keiner Weise ausreichend, zumal es auch auf einen unzutreffenden Stichtag 22.01.2016 erstellt worden ist.
Unter Zugrundelegung der Berliner Mietspiegel für 2013 und 2015 ergibt sich die ortsübliche Miete wie folgt:
„Der Mietspiegel für 2013 weist für Wohnungen mit 40 m² bis 60 m² (mittlere Wohnlage Baujahr 1973 bis 1990 West) im Mietspiegelfeld E5 eine Mietpreisspanne von 5,53 Euro/m² bis 7,00 Euro/m² bei einem Mittelwert von 6,46 Euro/m² aus und für Wohnungen mit 60 m² bis unter 90 m² (mittlere Wohnlage Baujahr 1973 bis 1990 West) im Mietspiegelfeld H5 eine Mietpreisspanne von 5,54 Euro/m² bis 6,60 Euro/m² bei einem Mittelwert von 6,10 Euro/m². Der Mietspiegel für 2015 weist für die kleineren Wohnungen (mittlere Wohnlage Baujahr 1973 bis 1990 West) im Mietspiegelfeld E5 eine Mietpreisspanne von 6,46 Euro/m² bis 7,84 Euro/m² bei einem Mittelwert von 6,97 Euro/m² aus und für die größeren Wohnungen 6,24 Euro/m² bis 8,27 Euro/m² bei einem Mittelwert von 7,14 Euro/m² Bei Zugrundelegung des Mittelwertes von 6,46 Euro/m² bzw. 6,10 Euro/m² und von 6,97 Euro/m² bzw. 7,14 Euro/m² war eine Mieterhöhung für sämtlichen 12 Wohnungen nicht möglich. Denn die Ausgangsmiete (per 01.08.2012) lag bereits bei 7,00 Euro/m² bis 7,80 Euro/m² für die kleineren Wohnungen und bei 7,50 Euro/m² bis 8,20 Euro/m² für die größeren Wohnungen (siehe Erhöhungserklärungen vom 10.07.2012, Anlage K4). Die aufgrund der unwirksamen Mieterhöhungserklärungen geleisteten (weitergehenden) Zahlungen kann die Klägerin zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 BGB).“
Die Beklagte kann sich auf § 814 BGB nicht mit Erfolg berufen. Hiernach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Eine solche positive Kenntnis der Klägerin bei Leistung der (unwirksamen) Kostenmieten lag nicht vor. Die Klägerin erfuhr erst durch Schreiben der I… B… vom 28.03.2019 (Anlage K 8), dass die Sozialbindung rückwirkend weggefallen ist.
Der gemäß § 818 Abs. 3 erhobene Entreicherungseinwand der Beklagten greift ebenfalls nicht. Denn durch die Verwendung der Mieten für anfallende Kosten in den Wohnungen wurde die Beklagte von Verbindlichkeiten gegenüber dritten Gläubigern befreit (s. Grüneberg/Sprau, aaO, § 818 BGB, Rn 45).
Rückforderungsansprüche sind – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht verjährt.
Die Verjährung des Rückerstattungsanspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 195,199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und läuft ab dem Schluss des Jahres, indem der Anspruch durch Zahlung des Mieterhöhungsbetrages entstanden ist und der Mieter von dem den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat (s. Schreiber, aaO, Seite 64).
Die Klägerin hat erst durch Schreiben der I… B… vom 28.03.2019 (Anlage K 8) die maßgebliche Kenntnis im Sinne von § 199 BGB erlangt. Die Klage ist am 18.12.2019 eingereicht.
Die in § 8 Abs. 2 Satz 3 WoBindG geregelte kürzere Rückforderungsfrist ist auf die Mietverhältnisse seit dem Auslaufen der Preisbindung zum 31.12.2012 nicht mehr anwendbar.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288, 291 BGB. Die Klägerin kann Zinsen nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen, weil es sich bei den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 BGB handelt (s. Grüneberg, aaO, § 286 BGB, Rn 27).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).