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Wohnflächenabweichung – Rückforderungsausschluss § 814 BGB  und bloßer Verdacht

AG Schweinfurt – Az.: 2 C 235/20 – Urteil vom 11.11.2020

In dem Rechtsstreit wegen Forderung erlässt das Amtsgericht Schweinfurt durch den Richter am Amtsgericht ### am 11.11.2020 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2020 folgendes Endurteil

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.340,88 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.2.2020 zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.340,88 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt angeblich zu viel bezahlte Miete zurück.

Sie mietete mit Mietvertrag K1 beginnend zum 1.1.1995 vom Beklagten die dort bezeichnete Wohnung an. Im Mietvertrag wurde deren Größe beklagtenseits mit 92m2 Wohnfläche ausgewiesen (Anl. 1 KI.). Der Klägerin wurde beklagtenseits eine entsprechende Mietbescheinigung erteilt (Anl. ill KL).

Tatsächlich hat die Wohnung lediglich eine Wohnfläche von 80,18 m2. Mit Schreiben vom 10.1.2007 (B2) monierte die Klägerin gegenüber dem Beklagten ‚fehlende Quadratmeter‘. Beklagtenseits wurde sodann ein neuer Mietvertragsentwurf erstellt, welcher 82 m2 Wohnfläche ausweist. Auch die ursprünglichen Mietvertragsurkunden wurden beklagtenseits entsprechend nachbearbeitet (K1). Die Beklagte hatte hiervon Kenntnis.

Die Miete wurde vorbehaltlos wie vertraglich vereinbart geleistet.

Anfang 2020 ließ die Klägerin die Wohnfläche der Wohnung vermessen, es ergaben sich 80,18 (Anl.1 Kl.). Die Klägerin erlangte hiervon am 17.1.2020 Kenntnis.

Die Klägerseite machte daraufhin 12,85 % Mietminderung (bezogen auf die Kaltmiete; d.h. 36,24 Euro/ Monat) geltend. Mit Anwaltsschreiben (Anl. 1 KL) ließ die Klägerin für den Zeitraum 1.1 2017 – 31.1.2020 37 Monate) insg. 1.340,88 Euro zurückfordern bis spätestens 5.2.2020.

Die Klägerseite beantragt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.340,88 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.2.2020 zu bezahlen.

Die Beklagtenseite beantragt Klageabweisung.

Sie behauptet: Aus B2 & B3 ergebe sich, dass die Beklagte bereits vor vielen Jahren Kenntnis von der Wohnflächenabweichung habe. Aufgrund ihrer dennoch vorbehaltlosen Mietzahlungen sei eine Rückforderung ausgeschlossen sei. Jedenfalls liege nach so vielen Jahren Verwirkung vor.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen sowie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2020 (Sitzungsprotokoll BI. 63 f. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.

Die Hauptforderungen ergeben sich jeweils aus § 8121 1 Var. 1 BGB.

Wohnflächenabweichung - Rückforderungsausschluss § 814 BGB  und bloßer Verdacht
(Symbolfoto: Von Zephyr_p/Shutterstock.com)

Rechtsgrundlos hatte die Klägerin zu viel Miete entrichtet. Denn der Mietzins war wegen eines Wohnungsmangels um 12,85 % gemindert, § 536 1 1 BGB. Dies ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt. Da die Wohnflächenabweichung mehr als 10 % beträgt, ist sie auch nicht unerheblich i.S.v. § 536 I 3 BGB.

1. Ein nicht unerheblicher Mangel liegt hier vor. Die tatsächliche Wohnfläche ist um 12,85 % kleiner als die im Mietvertrag beklagtenseits angebene. Letzterenfalls liegt aufgrund der Angabe einer konkreten m2-Zahl eine zugesicherte Eigenschaft vor, und keine bloße Beschreibung der Wohnungsgröße, Schmidt-Futterer, Mietrecht-OK BGB § 536 Rn.334. Schließlich machte der Beklagte sich diese Zahl auch in erteilten Mietbescheinigung zu eigen.

2. Der Mangel ist auch nicht infolge einer nachträglichen Änderung des Mietvertrags entfallen. Aus dem beklagtenseitigen Vortrag hierzu ergibt sich, dass entsprechende Bemühungen nicht zum Abschluss kamen.

3. Der Rückforderung steht auch § 814 Var. 1 BGB nicht entgegen. Denn die Beklagte hatte bei den gegenständlichen Mietzahlungen keine positive Kenntnis vom teilweise fehlenden Rechtsgrund.

Die bloße Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Nichtbestehen der Verbindlichkeit usw. ergibt, reicht für die Anwendbarkeit von § 814 nicht aus, BeckOK BGB § 814 Rn.8.

Hier hatte die Klägerin positive Kenntnis im vorgenannten Sinne ab dem 17.1.2020. Dass sie auch im Zeitraum zuvor positive Kenntnis hatte, ist nicht ersichtlich.

Aus B2 lässt sich eine solche Kenntnis nicht ableiten. In dem Schreiben äußerte die Klägerin lediglich ihren Verdacht, dass ihre Wohnung um ‚einige Quadratmeter‘ zu klein sei. Genaueres könne sie nur nach weiterer Sachaufklärung durch den Beklagten selbst oder einen Gutachter sagen. Folglich hatte sie aufgrund der in diesem Zusammenhang geschilderten Tatsachen lediglich den Verdacht einer negativen Wohnflächenabweichung, jedoch keine positive Kenntnis. Erst recht hatte sie keine positive Kenntnis vom tatsächlichen Umfang der Abweichung. Sie konnte daher nicht positiv wissen, ob eine rechtsrelevante, nicht unerhebliche Minderung der Tauglichkeit‘ (§ 536 1 3 BGB) vorliegt oder nicht.

Gleiches gilt im Ergebnis von den beklagtenseits in die Mietvertragsformulare eingetragenen 82 m2. Hieraus ergibt sich allenfalls die positive Kenntnis der Klägerin, dass der Beklagte nun offensichtlich von diesem Wohnflächenwert ausgeht. Dass dieser Wert auch tatsächlich zutreffend ist, ergibt sich jedoch nicht. Entsprechende Tatsachen- oder auch nur Schätzgrundlagen wurde beklagtenseits nicht zur Verfügung gesteilt. Tatsächlich ist auch dieser Wert – wenn auch gering unzutreffend. Aus den Angaben des informatorisch befragten Beklagten hierzu in der mündlichen Verhandlung ergibt sich zudem, dass dieses Datum nicht belastbar ist: Der Beklagte will es – ohne eigene Überprüfung – vom Hörensagen durch damalige Hausbewohner erfahren haben, die – angeblich – nachgemessen hätten. Hieraus ergibt sich, dass das Datum. auf keiner nachvollziehbaren objektiven Grundlage beruht. Daher musste die Beklagte nicht von einem solchen tatsächlichen Wohnflächenwert ausgehen.

Auch aus B3 ergibt sich keine positive Kenntnis der Klägerin. Es ist bereits streitig und beklagtenseits nicht unter Beweis gestellt, dass die Klägerin B3 überhaupt erhalten hatte. Und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hieße dies nicht, dass sie auch von der Eintragung ‚ca 80 qm‘ Kenntnis genommen hätte. Doch selbst wenn man auch dies unterstellen wollte, hätte die Klägerin aus den bereits dargelegten Gründen lediglich positive Kenntnis davon, dass der Beklagte nun offensichtlich von einem Wohnflächenwert in dieser Größenordnung ausgeht. Eine positive Kenntnis der Klägerin von der tatsächlichen Wohnfläche ist hiermit nicht verbunden.

Eine solche erlangte sie vielmehr erst aufgrund der Wohnflächenberechnung im Januar 2020. Denn erst diese fußt auf einer belastbaren nachvollziehbaren Tatsachengrundlage. Somit steht § 814 Var.1 BGB der Rückforderung der bis dahin geleiteten Mieten nicht entgegen.

4. Die Forderungen sind auch nicht verwirkt.

Aufgrund der klägerseitigen Angaben in B2 durfte die Beklagtenseite gerade nicht davon ausgehen, dass die Klägerin die Sache künftig nicht mehr weiter verfolgen wolle. Das bloße tatsächliche Unterlassen der Weiterverfolgung vermag einen Vertrauenstatbestand nicht zu begründen. Bloßer Zeitablauf vermag ebenfalls keinen Vertrauenstatbestand zu begründen.

Überdies wäre der Beklagte ohnehin nicht schutzwürdig. Denn weitere tatbestandliche Voraussetzung der Verwirkung ist, dass sich der Verpflichtete ‚aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (Palandt BGB ß 242 Rn. 94 m.w.N.). Hierzu wurde beklagtenseits nichts vorgetragen.

II.

Die Zinsforderungen ergeben sich aus §§ 286 I 1, 288, 291 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 1 1, 709 ZPO.

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