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Zerrüttung Mietverhältnis – fristlose Kündigung

AG Dortmund, Az.: 425 C 4296/17, Urteil vom 30.10.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Beklagte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht. Er hat mit Mietvertrag vom 6.1.2016 von der Klägerin und ihrem am 5.11.2016 verstorbenen Ehemann ein freistehendes Einfamilienhaus aus dem Baujahr 1950 mit Garten und Garage zu einer Grundmiete von 1050,- € zzgl. 100,- € Betriebskostenvorauszahlung gemietet. Auf seinem Briefkopf gibt er nur die Wohnanschrift an. Auf der Seite der Anwaltssuche des RAK Hamm ist auch nur diese Anschrift von ihm angegeben worden.

Zerrüttung Mietverhältnis – fristlose Kündigung
Foto: snowing/Bigstock

Im Mietvertrag war Mietbeginn der 1.2.2016 vereinbart. Ein zuvor mit Mietbeginn 1.1.2016 abgeschlossener Vertrag ist von den Parteien aufgehoben worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Vermieter das Objekt fristgerecht nicht mangelfrei übergeben konnten. Die Parteien haben neben dem Formularvertrag eine „Zusatzvereinbarungen zum Mietvertrag“ geschlossen. Danach wurde u.a. die Kündigung wegen Eigenbedarfs für 5 Jahre ausgeschlossen. Ferner haben die Parteien vereinbart welche Arbeiten vom Beklagten und welche von den Vermietern auf Kosten der jeweiligen Parteien durchgeführt werden sollen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarungen vom 6.1.2016 (Bl. 6 bis 30) Bezug genommen.

Am 31.1.2016 haben die Parteien den Mietvertragsbeginn auf den 1.3.2016 verlegt.

Das Verhältnis der Parteien ist zerrüttet. Der Beklagte wollte nur noch mit dem verstorbenen Ehemann reden und nicht mit der Klägerin.

Der Beklagte hat auf die Miete folgende Zahlungen geleistet:

März 2016 350,00 € und 33,33 € Betriebskostenvorauszahlung

April bis August 2016 1150 ,- €

September 2016 1050,00 €

Oktober 2016 1075,00 €

November 2016 1050,00 €

Dezember 2016 1050,00 €

Januar 2017 1000,00 €

Februar 2017 1000,00 €

März 2017 1050,00 €

April 2017 1050,00 €

Mai 2017 1050,00 €

Juni 2017 1075,00 €

Juli 2017 1025,00 €

August 2017 1075,00 €

September 2017 1075,00 €

Oktober 2017 1075,00 €

Er beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht und die Minderung der Miete.

Die Klägerin ließ das Mietverhältnis durch ihren Bevollmächtigten erstmals unter dem 7.11.2016 kündigen. Der Beklagte wies die Kündigung wegen fehlender Vollmacht zurück.

Wegen eines von der Klägerin errechneten Rückstands von 1025,00 € ließ die Klägerin das Mietverhältnis am 12.12.2016 fristgemäß kündigen, da sie in der Mietminderung einen nicht unerheblichen Verstoß gegen die mietvertraglichen Verpflichtungen sah.

In der Klageschrift hat die Klägerin noch einmal gekündigt wegen der Rückstände Dezember 2016 bis Mai 2017 von weiteren 700,-.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis im Schriftsatz vom 16.10.2017 nochmals ordentlich gekündigt wegen des von ihr behaupteten Rückstands von 2175,00 €

Die Parteien haben eine Rechtsstreit wegen einer Betriebskostenabrechnung über 295,00 € vor der Abteilung 423 C 3279/17 geführt. In der Betriebskostenabrechnung hat die Klägerin mit Beklagten Kosten ab 21.3.2016 in Rechnung gestellt.

Der hat die Immobile am 21.3.2016 in Besitz genommen.

Am 2.3.2018 hat die Klägerin den Beklagten wegen angeblicher „Insolvenzberatung“ durch Beklagten in der vermieteten Wohnung abgemahnt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass einem Einzug zum 1.3.2016 nichts im Wege gestanden hätte. Nur der Anbau sei noch nicht fertig gewesen. Das hätte aber einem Einzug ins restliche Gebäude nicht entgegengestanden. Im Übrigen bestreitet sie die einzelnen behaupteten Mängel.

Die Klägerin verlangt ferner Aufwendungsersatz in Höhe von 833,70 €. Insofern hat sie in die Klageschrift den Inhalt der Kündigung vom 12.12.2016 hineinkopiert, in der der Beklagte zu Zahlung aufgefordert wird, weil er sich zu bestimmten Arbeiten verpflichtet habe, die er nicht durchgeführt habe, weshalb die Klägerin die Firma M. beauftragt habe. Deshalb sei der Beklagte bereichert.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

das freistehende Einfamilienhaus, bestehend aus sieben Zimmern, einer Küche, zwei Dielen, einem Badezimmer, einer Gästetoilette, einem Balkon sowie sämtlichen Kellerräumen, den Garten sowie Garage auf dem Grundstück zu räumen und an die Klägerin herauszugeben; an den Kläger (?) 1725 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Der Beklagte hat die Klage zunächst für unzulässig gehalten, weil er die Aktivlegitimation der Klägerin bezweifelte. Den Einwand hat er dann aber im Laufe des Verfahrens aufgegeben.

Der Beklagte behauptet diverse Mängel am Mietobjekt. Das Objekt sei bei der ersten Besichtigung bereits mangelhaft gewesen. Wegen der Aufzählung der einzelnen Mängel wird auf die Klageerwiderung vom 15.7.2016 Seite 5 -15 (Blatt 53 – 62 d. GA) und die Fotodokumentation Bl. 73 – 124, 131 – 134 und 227 – 235 d. GA Bezug genommen. Hinsichtlich des Aufwendungsersatzanspruchs behauptet er, die Arbeiten günstiger hätte durchführen zu können.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den umfangreichen vorgetragenen Sachvortrag der beiden Parteien Bezug genommen.

Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben über die einzelnen vom Beklagten behaupteten Mängel in der Wohnung durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen der Zeugen sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die den Parteien bekannt gegebenen Antworten der Zeugen (Sonderheft schriftliche Zeugenaussagen) sowie das schriftliche Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen vom 19.09.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage war und ist zulässig. Wie der Beklagte als Rechtsanwalt darauf kommen kann, dass die Klage unzulässig ist, erschließt sich dem Gericht nicht ansatzweise. Er behauptet hierzu, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation. Selbst wenn das so wäre, wäre das nur eine Frage der Begründetheit der Klage. Da der Beklagte ja mit der Klägerin den Mietvertrag abgeschlossen hatte, musste er wissen, dass es sich um seine Vermieterin handelt. Dass man fremdes Eigentum vermieten kann entspricht dem das deutsche Zivilrecht beherrschenden Abstraktionsprinzip. Derjenige der vermietet muss nicht Eigentümer sein. Deshalb war die Klägerin immer die Vermieterin des Beklagten, auch wenn der verstorbene Ehemann vorher Alleineigentümer gewesen sein sollte. Im Übrigen kommt es bei der Universalsukzession des § 1922 BGB auch nicht auf die Grundbucheintragung an, so dass die Klägerin mit dem Tode ihres Ehemannes Eigentümerin des Grundstücks geworden ist. Eine Grundbucheinsicht war weder erforderlich noch zielführend gewesen.

II.

Die Klage ist aber sowohl hinsichtlich des Räumungsanspruchs sowie auch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs unbegründet.

III.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten gemäß § 546 BGB kein Anspruch auf Räumung des vermieteten Einfamilienhauses zu. Weder die Kündigung vom 12.12.2016 noch die im Schriftsatz vom 16.10.2017 erfolgte Kündigung hat das Mietverhältnis beendet.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis ordentlich kündigen lassen. Gemäß § 573 Abs. 2 Z. 1 BGB setzt eine solche ordentliche Kündigung eine nicht unerhebliche schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12, NZM 2013, 20 = NJW 2013, 159= MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 44 mit Anm. Börstinghaus; dazu Schach, jurisPR-MietR 24/2012 Anm. 2: Schmid, MietRB 2013, 1; Zehelein, WuM 2013, 46; Börstinghaus, LMK 1/2013 Anm. 2; Hinz, ZMR 2013, 96; Drasdo, NJW-Spezial 2013, 65; Blank, NZM 2013, 104) ist eine solche ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs grundsätzlich auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB möglich. Dabei liegt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters jedoch nicht vor, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt.

1.

Das Gericht hat schon mit Beschluss vom 13.11.2016 darauf hingewiesen, dass es den Sachvortrag der Klägerin, dass die Räumlichkeiten erst mit ein- bis zweiwöchiger Verspätung vollständig fertig wurden (Schriftsatz 11.8.2017 Blatt 2 4. Absatz) so versteht, dass zum 1.3.2016 die Mietsache gerade nicht mangelfrei übergeben werden konnte. Zur Annahme einer Teilleistung ist ein Mieter wie jeder andere Gläubiger nicht verpflichtet. Übergabe ist die Inbesitznahme durch den Mieter. Da die Klägerin selbst in der Betriebskostenabrechnung vom 21.3.2016 von der Betriebskostentragungspflicht ausgeht, und der Beklagte die Umstände der Inbesitznahme substantiiert dargelegt hat, geht das Gericht von keinem früheren Übernahmezeitpunkt und damit Beginn der Mietzahlungsverpflichtung aus. Die weiteren Ausführungen der Klägerin hat das Gericht zur Kenntnis genommen, sie ändern aber an der Bewertung nichts.

Das bedeutet, dass die Kündigung vom 12.12.2016 nur noch auf einen vermeintlichen Rückstand von 225,00 € gestützt werden könnte. Unabhängig davon, ob dieser Rückstand wirklich besteht, berechtigt er auf jeden Fall nicht zu einer ordentlichen Kündigung.

2.

Auch die im Schriftsatz an das Gericht vom 16.10.2017 erfolgte Kündigung gemäß § 573 BGB hat das Mietverhältnis nicht beendet. Auch zu diesem Zeitpunkt lag ein Mietrückstand in Höhe von mehr als einer Monatsmiete nicht vor. Formell ist es möglich im Schriftsatz zu kündigen, wenn dem Mieter eine vom Vermieter oder Vertreter unterschriebene Abschrift zugeht, § 568 BGB. Das war hier der Fall.

Rein rechnerisch fehlten im Oktober 2017 nach dem Sachvortrag der Klägerin Mietzahlungen von April 2016 bis Oktober 2017 i.H.v. 1375 €. Dies wäre zwar für eine ordentliche Kündigung ausreichend, jedoch steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass der Beklagte Miete in dieser Höhe nicht schuldete, da die Mietsache mangelhaft war und die Miete sich insofern gemäß § 536 Abs. 1 BGB gemindert hatte und der Beklagte auch berechtigt war, ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Mängel zumindest in einer Größenordnung von zwei Monatsmieten geltend zu machen.

Der Zeuge 1 hat bestätigt, dass das Außenrohr verstopft war und dass der Eckbereich feucht war. Das hat auch der Zeuge 2 bestätigt. Er hat ferner bekundet, dass er die Haustür Ende Mai 2016 repariert hatte. Einen Mangel am Flurfenster hat er nicht festgestellt. Das Fenster sei aber im April 2017 ausgetauscht worden, weil es sich m eine Einfachverglasung gehandelt habe.

Die Zeugen 3 und 4 sowie haben bekundet, vom 8.5.2017 bis 22.8.2017 Schimmelsanierungsarbeiten von der Aufstellung von Trocknungsgeräten bis Aufbringung von Kalkunter- und Oberputz sowie Anstricharbeiten durchgeführt zu haben.

Die Vormieterin Frau 5 hat Mängel im Bereich der Einfahrt während ihrer Mietzeit bekundet.

Der Zeuge 6 hat bekundet am 26.9.2016 Schimmelpilzbildung im Anschluss Decke/Außenwand im Wohnzimmer festgestellt zu haben. Es seien auch schwarze Ablagerungen in den Bodenfugen vorhanden gewesen und der Fugmörtel hätte sich gelöst. Eine neue Silikonfuge sei damals im oberen Badezimmer nicht aufgebracht gewesen.

Herr 7 hat leichte Feuchtigkeit im Esszimmer bemerkt. Die Ursachen seien immer kurzfristig behoben worden. Auch hat das verstopfte Fallrohr bemerkt. Er habe die gemeldeten Mängel immer kurzfristig im Dezember 2015, Februar 2016, Mai 2016, Juli 2016 und April 2017 beseitigt.

Die gerichtlich bestellte Sachverständige hat bekundet, dass

a) die Platten in der Einfahrt zum Haus mittig gebrochen sind. Es bestehe ein Versatz von 20 mm.

b) in zwei Kellerräumen Feuchtigkeitserscheinungen in Form von Ausblühungen und Abplatzungen sowie bräunliche Wasserränder vorliegen.

c) der Garagenboden 17 mm durch Frost nach oben gedrückt ist.

d) Im Außenbereich auf einer Fläche von 30 x 30 cm Deckenfarbe abblättert.

e) Im Badezimmer gibt es eine schwärzliche Beschichtung und das Erscheinungsbild ist fleckig.

f) An der Haustür bestehen deutliche Undichtigkeiten

Keine Mängel konnte die Sachverständige an der Silikonverfugung im oberen Badezimmer und an den früheren nicht mehr vorhandenen Fenstern feststellen.

Wegen dieser Mängel, die unterschiedlich intensiv über die 18 Monate vorlagen, war die Miete um mindestens 225,- € gemindert, so dass der Beklagte auf jeden Fall weniger als eine Monatsmiete schuldete. Wegen der genaueren Berechnung siehe unten unter IV.. Dabei hat das Gericht noch nicht einmal berücksichtigt, dass dem Beklagten auch ein Zurückbehaltungsrecht zur Durchsetzung seines Erfüllungsanspruchs gem. § 535 Abs. 1 BGB zusteht (BGH NZM 2015, 618 = MietPrax-AK § 112 InsO Nr. 1 m. Anm. Börstinghaus; dazu Börstinghaus, jurisPR-MietR 17/2015 Anm. 1; Flatow, jurisPR-MietR 18/2015 Anm. 5; Blank, WuM 2015, 577; Schach, GE 2015, 1059; Wichert, MietRB 2015, 291/294; Drasdo, NJW-Spezial 2015, 610; Ahrens, LMK 2015, 373812; Jacoby, ZMR 2016, 173; Hinz, ZMR 2016, 253; Selk, NZM 2016, 434; Hinz, JR 2016, 531; BGH WuM 2016, 98 = MietPrax-AK § 543 BGB Nr. m. Anm. Börstinghaus). Auch wenn dies nach dieser aktuellen BGH Rechtsprechung stark eingeschränkt ist, besteht es wohl mindestens in Höhe von 2 Monatsmieten.

Deshalb steht der Klägerin kein Kündigungsrecht gem. § 573 Abs. 2 Ziff. 1. BGB wegen des Mietrückstandes zu.

3.

Auch eine Kündigung wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses hat das Mietverhältnis nicht beendet.

a)

Bei Dauerschuldverhältnissen besteht ein fristloses, verschuldensunabhängiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gem. § 543 BGB. Ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegt dann vor, wenn die Durchführung des Vertrags durch Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragsteils derart gefährdet ist, dass sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist (BGH MDR 1978, 487; BGH LM Nr. 2 zu § 242 BGB; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht 13. Aufl., § 543 BGB Nr. 168). Ob der Kündigende sich selbst vertragsgemäß verhalten hat, ist nicht entscheidend. Allerdings ist dieser Umstand bei der Abwägung der Gesamtumstände zu berücksichtigen, den die Entscheidung über die Kündigung ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben zu treffen, wobei ein Verschulden dessen, dem gekündigt wird, nicht erforderlich ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Kündigung nicht auf solche Gründe gestützt werden kann, die der Kündigende selbst herbeigeführt oder zu vertreten hat (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht 13. Aufl., § 543 BGB Nr. 168). Hiervon sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen feststeht, dass das Verhältnis der Parteien nachhaltig zerrüttet ist, aber die Ursache der Zerrüttung nicht mehr aufgeklärt werden kann. In einem solchen Fall ist jede Partei zur Kündigung berechtigt (OLG Celle ZMR 2009, 192). Erforderlich ist aber immer eine vorherige Abmahnung (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht 13. Aufl., § 543 BGB Nr. 169).

Was ist aber nun eine zur Kündigung berechtigende Zerrüttung der Beziehung zwischen Vermieter und Mieter? Bekannt ist das Zerrüttungsprinzip im Eherecht: Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie von beiden Partnern als zerrüttet eingeschätzt wird. Dabei spielt Verschulden keine Rolle. § 1565 BGB spricht nur davon dass, dass die Ehe „gescheitert“ sein muss. Dafür gibt es eine gesetzliche Vermutung, nämlich das Getrenntleben. Das passt nun einmal im Mietrecht nicht, da Vermieter und Mieter nicht zusammenleben. Auch im Arbeitsrecht gibt es das Zerrüttungsprinzip: Wenn das Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer so erschüttert ist, dass eine Anstellung nicht mehr zugemutet werden kann, dann ist eine Kündigung möglich. Allerdings sind die Anforderungen hier sehr viel höher als bei einer Scheidung. Es geht im Arbeitsrecht um den Verlust von Vertrauen, das sich „nicht mehr auf jemanden verlassen können“. Der Arbeitnehmer repräsentiert zumindest teilweise den Arbeitgeber. Das Mietrecht liegt, was die Anforderungen angeht, wahrscheinlich dazwischen. Der Mieter repräsentiert nicht den Vermieter. Sein Verhalten wird in den wenigsten Fällen dem Vermieter – auch im nicht juristischen Sinne – zugerechnet. Aber möglich ist natürlich auch hier, dass Vermieter oder Mieter den Vertragspartner bei Dritten „anschwärzen“ oder geschäftlich schädigen, was auch zu einer Zerrüttung führen kann (z.B. BGH NZM 2010, 901). Darum geht es vorliegend aber nicht. Es geht schon eher, wie in der Ehe, um die bloße Zweierbeziehung zwischen Vermieterin und Mieter. Dafür geht es anders als in der Ehe und eher wie im Arbeitsrecht darum, dass der Vermieter dem Mieter erhebliche Vermögenswerte, nämlich die Wohnung, anvertraut. Aber auch da gibt es vorliegend keinen Anlass, von einer Gefährdung von Vermietervermögenswerten auszugehen. Es geht der Klägerin um den Umgang miteinander und das Verhalten des Beklagten im Rahmen der geschäftlichen Beziehung.

b)

Hier kann das Gericht zurzeit die für eine außerordentliche Kündigung erforderliche Zerrüttung ebenso wenig feststellen wie ein die Grenzen des § 573 BGB erreichendes berechtigtes Interesse der Klägerin, das für die ordentliche Kündigung erforderlich ist.

Richtig ist sicher, dass das Verhalten des Beklagten für den jeweiligen Gegenüber äußerst anstrengend und zeitweise auch schwer zu ertragen ist. Der Beklagte ist nach dem Eindruck des Gerichts, das es sich in den fast 18 Monaten, die das vorliegende Verfahren in 1. Instanz anhängig war, vom Beklagten aufgrund des persönlichen Eindrucks, aber viel mehr noch aufgrund der zahlreichen äußerst langen Schriftsätze machen konnte, wohl der Prototyp eines Juristen, den Vermieter – und vielleicht auch andere Vertragspartner – sich eher nicht wünschen, vor allem, wenn sie als „Jurist in eigener Sache“ tätig werden. Seine Ausdrucksweise ist belehrend und vielleicht auch besserwisserisch.

Der Beklagte hat immer wieder versucht die Verhandlungsführung des Gerichts zu bestimmen. Nach dem ausführlichen Hinweis- und Beweisbeschluss des Gerichts, in dem den zahlreichen Zeugen gestattet worden war, ihre Aussagen schriftlich zu machen, wollte er z.B. dem Gericht klarmachen, wie es diese noch nicht getätigten Aussagen zu bewerten habe. Später wollte er dem Gericht dann aufgeben, nur bestimmte Zeugen zu vernehmen, obwohl er alle anderen Zeugen auch benannt hatte. Schließlich sollte das Gericht trotz des abgefassten und in der Durchführung befindlichen Beweisbeschlusses im laufenden Verfahren ein Beweissicherungsverfahren über ähnliche Fragen durchführen. Nach Vorlage des Gutachtens verlangt der Beklagte Ergänzungen des Gutachtens, die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich sind (Bl. 333. d. GA). Außerdem soll das Gericht einen Zeugen zum Erscheinen vor Gericht durch Verhängung von Ordnungsgeld zwingen, obwohl dessen Aussage keinerlei Einfluss auf den Ausgang des Rechtsstreits mehr hat, nur weil der Beklagte dessen Nichterscheinen als Missachtung empfindet. Das ist schon Ausdruck einer sicher auch von der Klägerin so empfundenen Selbstüberschätzung.

Er hat auch versucht, Handwerkern solche Vorgaben zu machen, die es sicher verbeten haben (Bl. 130 d. GA).

Auch die Länge der vorgerichtlichen aber auch gerichtlichen Schriftsätze spricht dafür, dass der Beklagte anscheinend für so etwas viel Zeit hat oder sich nimmt. Die Gerichtsakte dieses im Grunde einfachen und routinemäßigen Räumungs- und Zahlungsprozesses hat zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Urteils bereits 335 Seiten. Damit beansprucht der Beklagte natürlich auch die Zeit der Klägerin über Gebühr.

Der Beklagte hat ansatzweise versucht, die Klägerin „schlecht zu machen“ (Bl. 49 d.GA). Im geschäftlichen Bereich kann dies bei feststehender Unwahrheit eine Kündigung rechtfertigen (BGH NZM 2010, 901), im hier eher privaten Bereich nach Ansicht des Gerichts noch nicht, zumal nicht ersichtlich ist, dass diese Behauptungen außerhalb der vorliegenden Rechtsstreit erhoben worden sind.

Der Beklagte hat ferner versucht zu bestimmen, mit welchem seiner Vertragspartner er nur reden will (nicht mit der Klägerin (Bl. 183 d. GA). Er hat angedroht Gespräche anderenfalls abzubrechen. Nachdem dann die Klägerin den Beklagten aufgefordert hat, nur noch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu kommunizieren und keine Mails an ihre e-mail Adresse zu schicken, hat er diesem Wunsch massiv mit einer einem Anwalt eher nicht zuzutrauenden Begründung widersprochen. Auch das ist Widerspruch nur des Widerspruchs willens, denn der Beklagte wollte ja gerade mit der Klägerin nicht mehr reden. Nachdem er aber erfuhr, dass die Klägerin nicht mehr mit ihm reden will, hat er diesen eigentlich auch seinem Willen entsprechenden Wunsch bewusst missachtet, um sich durchzusetzen oder die Klägerin schlicht zu ärgern. Dabei hat das Gericht noch nicht einmal untersucht, ob der Beklagte als Rechtsanwalt nicht sogar verpflichtet wäre, nur mit dem gegnerischen Kollegen zu kommunizieren. So etwas tut man einfach nicht.

Aber letztendlich muss die Klägerin (wie auch das Gericht) so ein Verhalten schlicht ertragen. Nicht unberücksichtigt bleiben darf bei der Abwägung nämlich auch, dass der Beklagte trotz seiner unzähligen wortreichen Ausführungen letztendlich nur äußerst moderat die Miete gemindert hat.

Bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung war schließlich auch ihr Verhalten zu berücksichtigen. Es ist dabei nicht von der Hand zu weisen, dass die Klägerin ihren Mieter nicht unbedingt wie einen Kunden behandelt, der berechtigte Ansprüche hat. Die Tatsache, dass der Beklagte berechtigte Ansprüche geltend macht, wird von ihr, vielleicht auch wegen des oben dargestellten Stils, wohl als persönlicher Affront verstanden. Berechtigte Minderungen versteht sie als Pflichtwidrigkeit und reagiert auch entsprechend „verschnupft“. Dass dies Verhalten dann den Beklagten wiederum zu belehrenden Äußerungen hinreißt ist zwar ärgerlich aber in der Konsequenz dann wohl noch hinzunehmen.

Nach alledem konnte das Gericht nur feststellen, dass hier Vermieterin und Mieter „schlicht nicht miteinander können“, da ihre wechselseitigen Erwartungen an das Verhalten der Gegenseite unüberbrückbar von einander abweichen. Da rechtfertigt eine Kündigung aber noch nicht. Hier kann für die Zukunft dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die Klägerin einen Dritten, z.B. Hausverwalter oder Rechtsanwalt, beauftragt, die Kommunikation mit dem Mieter durchzuführen und der Mieter sich dann auch daran hält und mit diesem dann auch normal umgeht. Nur wenn das auch nicht klappen sollte, könnte uU eine Zerrüttung anzunehmen sein.

c)

Im Übrigen hat der Klägervertreter zwar vorgetragen, dass das Mietverhältnis zerrüttet ist, eine Begründung der Kündigung im Sinne des § 569 Abs. 4 BGB oder § 573 Abs. 3 BGB stellt dies aber nicht dar.

d)

Wegen der vermeintlich unberechtigten selbständigen Tätigkeit (Insolvenzberatung) des Beklagten in den Wohnräumen ist bisher außer der Abmahnung auch keine Kündigungserklärung erfolgt. Unter den nach der Verkehrsanschauung zu bestimmenden Begriff des „Wohnens“ fallen nur solche beruflichen Tätigkeiten des Mieters, die in einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Weise ausgeübt werden. Geschäftliche Aktivitäten des Mieters, die der Mieter in ausschließlich zu Wohnzwecken vermieteten Räumen ausübt und die nach außen in Erscheinung treten, muss der Vermieter nicht ohne vorherige Vereinbarung dulden. Eine Verpflichtung des Vermieters, eine vertragswidrige Nutzung der Mieträume zu gestatten, kommt nur dann in Betracht, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit – was der Mieter darzulegen und zu beweisen hat – keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung (BGH VIII ZR 213/12). Der Vermieter kann nach Treu und Glauben verpflichtet sein, die Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, wenn es sich um eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr handelt; hierfür trägt der Mieter die Darlegungs- und Beweislast (BGH VIII ZR 165/08). Schon die Verwendung der Adresse der Wohnung nach außen hin im geschäftlichen Verkehr kann nach der Rechtsprechung des BGH eine unzulässige gewerbliche Tätigkeit darstellen, die der Vermieter einer Wohnung ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss (BGH VIII ZR 149/13). Ähnlich wie in dem BGH-Fall gibt der Beklagte bisher nur seine Wohnanschrift auf seinem Briefkopf an und hat bei der Rechtsanwaltskammer Hamm nur seine Wohnanschrift als Kanzleianschrift hinterlegt.

IV.

Der Klägerin steht auch der Zahlungsanspruch in Höhe von 1725,- € für rückständige Miete für den Zeitraum März 2016 bis November 2016 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere kann die Klägerin die Zahlung nicht gem. § 535 Abs. 2 BGB i.V.m dem Mietvertrag verlangen.

1.

Was den behaupteten Rückstand für März 2016 angeht wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Wegen der auch nach dem Sachvortrag der Klägerin vorliegenden Mängel war der Beklagte zur Übernahme der Wohnung nicht verpflichtet. Die Miete war für die ersten 2/3 des Monats auf null gemindert.

2.

Für September 2016 bis November 2016 war die Miete gem. § 536 Abs. 1 BGB um 225,- € gemindert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund des Ergebnisses des gerichtlichen Sachverständigengutachtens steht für das Gericht fest, dass die Mietsache in der Zeit und teilweise bis heute mit Mängeln behaftet war, die ihre Gebrauchstauglichkeit nicht unerheblich eingeschränkt haben. So sind die Platten in der Einfahrt zum Haus mittig gebrochen, in zwei Kellerräumen liegen Feuchtigkeitserscheinungen in Form von Ausblühungen und Abplatzungen sowie bräunliche Wasserränder vor, im Badezimmer gibt es eine schwärzliche Beschichtung und das Erscheinungsbild ist fleckig und schließlich bestehen an der Haustür deutliche Undichtigkeiten. Diese Mängel rechtfertigen die vorgenommene Minderung.

3.

Die Klage ist was die Erstattung der Rechnung angeht unsubstantiiert. Es ist schon fraglich, ob in dem Hineinkopieren des Inhalts des Kündigungsschreibens insofern ein ordentlicher Parteivortrag zu sehen ist. Zumindest ist für das Gericht nicht ansatzweise zu erkennen, worum es geht. Zwar hatte der Beklagte sich verpflichtet, bestimmte Arbeiten auf seine Kosten durchführen zu lassen, eine Frist war hierfür aber nicht bestimmt. Weshalb dann der verstorbene Ehemann diese Arbeiten hat durchführen lassen, ist weder vortragen noch ersichtlich. Die Einbauten sind auch wesentliche Bestandteile der Mietsache geworden, so dass die Klägerin Eigentümerin geworden ist. Unter dem Gesichtspunkt der ersparten Aufwendungen besteht auch kein Anspruch gem. § 812 ff BGB, da der Beklagte vorgetragen, die Arbeiten günstiger hätte durchführen zu lassen. Insofern kann das Gericht auch keinen Mindestbetrag schätzen.

V.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziff. 8, 711 Ziff. 11 ZPO.

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