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Zufahrts- und Leitungsrecht können sich aus Baulast ergeben

OLG Hamburg – Az.: 6 U 106/14 – Urteil vom 20.11.2020

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 2014, Az.: 328 O 180/12, wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin erhebt gegen die Beklagten einen Anspruch auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit, hilfsweise beruft sich die Klägerin auf ein ihr zustehendes Notwegerecht.

Mit ihrer Drittwiderklage begehren die Beklagten die Verurteilung der Drittwiderbeklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin, deren Gesellschafter die Widerbeklagten sind, ist Eigentümerin des Grundstücks E. 18a, … H., eingetragen im Grundbuch von Oh., Blatt …, Flurstück … Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks E… 18, … H., eingetragen im Grundbuch von Oh., Blatt …, Flurstück … (Zur Lage der Grundstücke s. Anlage K 8). Das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück verfügt nicht über eine Verbindung bzw. Anbindung zum öffentlichen Straßenraum. Ursprünglich handelte es sich bei den Flurstücken … und … um ein ungeteiltes Grundstück. Auf der Grundlage der am 15.12.1998 abgegebenen Verpflichtungserklärung nach § 79 HBauO wurde zugunsten des Flurstücks … eine Baulast in das Baulastenverzeichnis eingetragen (vgl. Anlage K 2). Die Beklagten erwarben das inzwischen in ihrem Eigentum stehende Flurstück auf der Grundlage des Kaufvertrages vom 13.4.1999. Der Kaufvertrag zwischen den Verkäufern und den Beklagten enthält in § 1 letzter Absatz (Anlage K 1, S.3 oben) unter anderem folgende Regelung:

„Zwischen den Parteien besteht Einverständnis darüber, dass die Zuwegung mit einer Breite von 3,5 m vom hinteren Grundstückseigentümer anzulegen und zu unterhalten ist. Eine Baulast (Weg plus Leitungen) ist eingetragen und wird übernommen.“

Die Klägerin erwarb das Flurstück … auf der Grundlage des Kaufvertrages vom 29.12.2008 (Anlage K 2).

Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Duldung u.a. auf § 1 letzter Absatz des Kaufvertrages zwischen den ursprünglichen Eigentümern und den Beklagten (Anlage K 1) als eine Vereinbarung zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des Erwerbers des gefangenen Grundstückes, gestützt. Vor dem Hintergrund der bestehenden Baulast verstoße das Verhalten der Beklagten auch gegen Treu und Glauben und sei auch deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagten durch die Verweigerung der Zuwegung nachträglich von dem Abstand nähmen, was sie zuvor in Kauf genommen hätten, um überhaupt erst die Voraussetzungen für die Entstehung und den Erwerb ihres Grundstückes zu schaffen. Hilfsweise bestehe ein Notwege- und Notleitungsrecht. In jedem Falle aber konkretisiere sich das Recht im Einklang mit der Baulast und den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien der Lage nach entlang der östlichen Grenze des Grundstücks der Beklagten und der Breite nach auf 3,5 m (Anlage K 11).

Die Beklagten sind der Auffassung der Klägerin in allen Punkten entgegengetreten. Sie haben argumentiert, dass aus ihrem Kaufvertrag mit den damaligen Verkäufern die Klägerin zum einen deshalb keine Ansprüche herleiten könne, weil dieser Vertrag Verpflichtungen lediglich zwischen den Vertragsparteien begründe. Zum anderen enthalte der Wortlaut der Klausel des § 1 auch keinerlei Verpflichtung zur Duldung von Maßnahmen auf ihrem Grundstück. Aus einer Baulast könnten privatrechtliche Ansprüche nicht hergeleitet werden. Die Kläger hätten auch kein Notwegerecht, dieses allenfalls Zug um Zug gegen angemessene Geldrente.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Unter Abweisung der weitergehenden Klage hat das Landgericht mit Urteil vom 20. Juni 2014 die Beklagten verurteilt, der Klägerin den Zugang und die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen von der Straße „E…“ zum Grundstück der Klägerin über einen 3 m breiten auf Kosten der Klägerin zu unterhaltenden Grundstückstreifen auf dem Grundstück der Beklagten gemessen von der Ostgrenze des Flurstücks … nach Westen zu gewähren. Ferner wurden die Beklagten verurteilt, der Klägerin die Möglichkeit zu gewähren, auf dem Grundstück der Beklagten im Bereich eines 3 m breiten Streifens, gemessen von der Ostgrenze des Grundstücks der Beklagten in Richtung Westen, im Erdreich Versorgungsleitungen auf Kosten der Klägerin zu verlegen, um das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück mit den Versorgungsleitungen im Bereich der Straße „E…“ zu verbinden. Schließlich wurden die Beklagten verurteilt, das Roden und die Entsorgung sämtlicher Pflanzen und Bäume auf ihrem Grundstück in einer Breite von 3 m, gemessen von der Ostgrenze des Flurstücks … nach Westen, auf Kosten der Klägerin zu dulden. Die Widerklage wurde durch das Landgericht abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage habe hinsichtlich des Hauptantrages keinen Erfolg, weil es für den Anspruch auf Bewilligung und Eintragung einer Grunddienstbarkeit an einer Anspruchsgrundlage fehle. Es sei daher über die gestellten Hilfsanträge zu entscheiden. Der Klägerin stehe ein Notwegerecht im Sinne des § 917 Abs. 1 BGB am Grundstück der Beklagten in dem aus dem Tenor des Urteils ersichtlichen Umfang zu. Hinsichtlich der Lage und Dimensionierung des Notwegerechts sei zu berücksichtigen, dass die Führung des Notweges entlang der östlichen Grundstücksgrenze der Beklagten den geringsten möglichen Eingriff in das Eigentum der Beklagten darstelle und deshalb sachgemäß sei. Dass damit eine von den Beklagten hinzunehmende Rodung der Pflanzen und Bäume im östlichen Bereich des Grundstücks einhergehe, sei in Anbetracht der verbleibenden Grundstücksbreite zwischen Wohnhaus der Beklagten und östlicher Grenze einerseits sowie der Breite des zuzubilligen Wegerechts unvermeidlich. Der Klägerin sei ein Notwegerecht in der Breite von 3 m zuzubilligen. Diese Breite sei der Tatsache geschuldet, dass es bei einem Wohngrundstück notwendig sei, dieses mit Kraftfahrzeugen erreichen zu können. Das der Klägerin zuzubilligende Notwegerecht erfasse überdies die Verlegung von Versorgungseinrichtungen im Erdreich. Soweit die Beklagten für den Fall der Einräumung eines Notwegerechts die Zahlung einer Geldrente beanspruchten, stelle dieses nach § 917 Abs. 2 BGB zwar den Regelfall dar, die Geltendmachung einer Geldrente stelle sich im vorliegenden Rechtsstreit dagegen als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB dar. Auch wenn die Klägerin aus dem nur inter partes Wirkungen entfaltenden Kaufvertrag zwischen den Grundstücksverkäufern und den Beklagten (Anlage K 1) selbst keine Ansprüche herleiten könne, sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagten ihr Einverständnis dazu erklärten, dass die Zuwegung zum jetzigen Grundstück der Klägerin in einer Breite von 3,5 m über das Grundstück der Beklagten verlaufe. Diese Beschränkung habe damit auch Einfluss in den Kaufpreis gefunden. Würde den Beklagten nunmehr eine Geldrente zugebilligt werden, würde eine doppelte Kompensation für die Nutzungsbeeinträchtigungen infolge des Wegerechts erfolgen. Die Geltungsabmachung einer Geldrente durch die Beklagte stelle sich damit als rechtsmissbräuchlich dar. Davon abgesehen sei im vorliegenden Rechtsstreit eine Geldrente auch schon deshalb nicht zuzusprechen, weil eine bezifferte Geldrente seitens der Beklagten nicht geltend gemacht werde und keinerlei Anknüpfungstatsachen, die für die Höhe einer Geldrente bedeutsam sein könnten, vorgetragen würden. Die Widerklage sei abzuweisen. Abgesehen davon, dass die Klage hinsichtlich der vorprozessual geltend gemachten Duldungspflichten Erfolg habe, fehle es hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten für eine vorprozessuale Rechtsverteidigung schlicht an einer Anspruchsgrundlage, auf die sich die Beklagten stützen könnten.

Wegen der Einzelheiten der Begründung der Entscheidung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihnen am 24. Juni 2014 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 11. Juli 2014 Berufung eingelegt und haben diese mit Schriftsatz vom selben Tage und ergänzend nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 26. August 2014 begründet.

Die Beklagten rügen, das Urteil beruhe auf einer Vielzahl überraschender Momente, auf die das Gericht hätte hinweisen und rechtliches Gehör hätte gewähren müssen. So sei das Urteil hinsichtlich der Fahrbahnbreite überraschend, weil das Landgericht in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt habe, dass eine Breite von 2,50 m oder auch 2,75 m ausgeurteilt würde. Die Begründung der Breite von 3 m sei haltlos und ohne sachverständige Expertise zur tatsächlichen Nutzungserforderlichkeit willkürlich erfolgt. Überraschend sei das Urteil auch, weil das Landgericht nicht auf die Möglichkeit der Verwirkung der Notwegerente hingewiesen habe. Bei der Begründung des Urteils, die Notwegerente sei im Kaufvertrag der Berufungskläger mit den Voreigentümern kompensiert worden, handele es sich um eine Erfindung des Landgerichts. Ein weiterer Verstoß gegen Hinweispflichten sei darin zu sehen, dass das Landgericht nicht darauf hingewiesen habe, dass zur Notwegerente nicht hinreichend vorgetragen worden sei. Eine angemessene notwendige Rente sei, wenn hierauf nicht hingewiesen werde, auf jeden Fall von Amts wegen zu bestimmen. Das angefochtene Urteil sei auch rechtsverletzend, weil in Ziffer 3 des Tenors neben der Rodung auch die Entsorgung der Pflanzen und Bäume zu dulden sei.

Die Beklagten beantragen, das am 20.06.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Hamburg, Az.: 328 O 180/12, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft -wie im Übrigen auch die Beklagtenihren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag.

Über den Berufungsantrag hinaus haben die Beklagten im Laufe der zweiten Instanz Schadensersatzansprüche gemäß § 717 Abs. 2 ZPO als Leistungs- und als Feststellungsantrag mit der Begründung geltend gemacht, die Klägerin habe aus dem erstinstanzlichen Urteil den Baumbestand auf dem „Notweg“ gegen ihren (den der Beklagten) ausdrücklichen Willen fällen und entsorgen lassen. Ferner habe die Klägerin durch das unterlassene Herstellen einer den Untergrund schützenden Baustraße das Grundstück der Beklagten hoch verdichtet, sodass dort auf einem 40 m langen und 3,5 m breiten Streifen Anpflanzungen nicht mehr möglich seien ohne Bodenaustausch bis in eine Tiefe von 1 m. Die dadurch anfallenden Kosten lägen bei mindestens EUR 6.500,00. Der Wert der gefällten Bäume betrage mindestens EUR 15.000. Der Feststellungsantrag rechtfertige sich aus der Unsicherheit der Schadenschätzung vor tatsächlicher Schadensbeseitigung.

Die Beklagten beantragen insoweit mit Schriftsatz vom 17.02.2015, die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagten 21.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Weiter, festzustellen, dass die Kläger als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Beklagten auch jeden über den vorstehend bezifferten Betrag hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesen aus der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils LG Hamburg 328 O 180/12 entsteht.

Die Klägerin beantragt, den Antrag der Beklagten vom 17.02.2015 zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen (Schriftsatz vom 06.03.2015).

Mit Schriftsatz vom 7. November 2019 schließlich wiederholen die Beklagten ihren Berufungsantrag (soweit die Rede von der Widerklage ist, wurde dieser Antrag nicht gestellt, s. Protokoll vom 12.11.2019 [ Bl. 469 R. d.A.]) und beantragen außerdem hilfsweise, die Beklagten zur Duldung nur Zug um Zug gegen Zahlung einer Wegerente in Höhe von 3.000 Euro jährlich ab 7. Januar 2012 zu verurteilen, der Klägerin den Zugang und die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen von der Straße „E…“ zum Grundstück der Klägerin, eingetragen im Grundbuch von Ohlstedt, Blatt …, Flurstück …, über einen zwei Meter breiten auf Kosten der Klägerin zu unterhaltenden Grundstücksstreifen auf dem Grundstück der Beklagten, eingetragen im Grundbuch von Ohlstedt, Blatt …, Flurstück …, gemessen von der Ostgrenze des Flurstücks … nach Westen, zu gewähren.

Die Klägerin beantragt, Zurückweisung dieses Antrages.

Die Klägerin hält diesen Antrag bereits für verspätet und im Übrigen für unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Verkehrswertgutachtens der Sachverständigen Dr. F… vom 16. Januar 2016 und durch ergänzende Anhörung der Sachverständigen (Protokoll vom 2.12.2016 (Bl.399 f d.A.).

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1.) Die Beklagten haben der Klägerin den Zugang und die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen von der Straße „E…“ zum Grundstück der Klägerin über einen 3 m breiten auf Kosten der Klägerin zu unterhaltenden Grundstückstreifen auf dem Grundstück der Beklagten gemessen von der Ostgrenze des Flurstücks … nach Westen sowie die Möglichkeit zu gewähren, auf dem Grundstück der Beklagten im Bereich eines 3 m breiten Streifens, gemessen von der Ostgrenze des Grundstücks der Beklagten in Richtung Westen, im Erdreich Versorgungsleitungen auf Kosten der Klägerin zu verlegen, um das im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück mit den Versorgungsleitungen im Bereich der Straße „E…“ zu verbinden.

a.) Der Anspruch der Klägerin ergibt sich zunächst aus Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB.

Der Inhalt der Regelung in § 1 letzter Absatz des Kaufvertrages zwischen den Beklagten und den Verkäuferinnen (Anlage K 1, S.3 oben):

„Zwischen den Parteien besteht Einverständnis darüber, dass die Zuwegung mit einer Breite von 3,5 m vom hinteren Grundstückseigentümer anzulegen und zu unterhalten ist. Eine Baulast (Weg plus Leitungen) ist eingetragen und wird übernommen.“ ist gemäß §§ 133,157 BGB durch Auslegung zu ermitteln.

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen bildet der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung; darüber hinaus sind insbesondere der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien zu beachten, ferner die sonstigen Begleitumstände, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (st. BGH-Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2018 – VIII ZR 109/18 mit weiteren Nachweisen).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die genannte Regelung dahin auszulegen, dass der hintere Grundstückseigentümer (Klägerin) einen direkten Anspruch gegen die seinerzeitigen Käufer (die Beklagten) hat.

aa) Schon der Wortlaut von Satz 1 dieser Regelung, der das Rechtsverhältnis zwischen den Käufern (Beklagten) und dem hinteren Grundstückseigentümer (Klägerin) betrifft, verdeutlicht, dass auch die Beklagten als Käufer damit einverstanden waren, dass die Zuwegung in einer Breite von 3,5 m vom hinteren Grundstückseigentümer anzulegen und zu unterhalten ist. Wenn auch nach dem Wortlaut zwar nicht von einem Recht des hinteren Grundstückseigentümers auf Nutzung der Zuwegung und Zuleitung die Rede ist, ergibt sich dieses jedoch als Kehrseite seiner Verpflichtung zur Anlage und Unterhaltung der Zuwegung. Diese Regelung ergibt auch nur Sinn, wenn der hintere Grundstückseigentümer einen direkten Anspruch gegen den Käufer hat. Ein anderer Zweck für die ausdrückliche Übernahme der Baulast zur Herstellung und Unterhaltung einer Zuwegung mit Versorgungsleitungen zugunsten des Eigentümers des hinteren Grundstücks ist nicht ersichtlich.

bb) Auch die Tatsache, dass es in dem 2. Satz heißt: „Eine Baulast (Weg plus Leitungen) ist eingetragen und wird übernommen.“ spricht dafür, dass die öffentlichen Rechte aus der Baulast durch den Grundstückskaufvertrag von den Käufern privatrechtlich übernommen werden. Denn die bloße Übernahme der öffentlichrechtlichen Baulast ergibt bei einem Grundstückskaufvertrag vor dem Hintergrund, dass die Baulast kraft Gesetzes (§ 79 Abs. 1, S.2 HBauO) auf den Rechtsnachfolger übergeht, keinen Sinn.

Soweit die Breite der Zuwegung in dem Kaufvertrag der Beklagten und den Verkäufern mit 3,50 m angegeben ist, der vom Landgericht zugesprochene Anspruch sich jedoch nur auf eine Breite von 3,00 m bezieht, kam eine Abänderung des Urteils mangels Rechtsmittels der Klägerin nicht in Betracht.

b.) Die Klägerin kann das streitgegenständliche Zugangs- und Zufahrtsrecht mit Kraftfahrzeugen auch mit Erfolg auf § 242 BGB i.V.m. der Baulast stützen.

Das Verhalten der Beklagten, der Klägerin das mit der Baulast übernommene Zufahrts- und Zuleitungsrecht zu verwehren, ist rechtsmissbräuchlich.

Die ursprünglichen Eigentümer haben mit Verpflichtungserklärung vom 7. Dezember 1998 (Anlagenkonvolut K 2) die Verpflichtung übernommen, zugunsten des heutigen Grundstücks der Klägerin eine Baulastfläche als Zufahrt und Leitungsrecht zur Verfügung zu stellen. Damit sollte der erforderliche Anschluss an den befahrbaren öffentlichen Weg (§ 4 Abs. 1 HBauO) zur Verfügung gestellt werden.

Da ein Grundstück nur bebaut werden darf, wenn ein Anschluss an die öffentliche Straße besteht (§ 4 HBauO) und in ihrem Kaufvertrag (Anlagenkonvolut K 2) ausdrücklich auf die durch die Baulast gesicherte Zuwegung hingewiesen wird, konnte die Klägerin darauf vertrauen, diese Zuwegung auch nutzen zu können. Denn wenn sich jemand gegenüber der Baubehörde verpflichtet, seinem Nachbarn ein Nutzungsrecht zu gewähren, liegt es nahe, dass er nicht in Widerspruch dazu den Nachbarn an der Ausübung gerade dieser Rechte hindert (vgl.OLG Hamm, Urteil vom 06. Juli 2017 – 5 U 152/16 -, Rn. 66 [mit der dortigen Baulast sollte sichergestellt werden, dass die Begünstigten die bauordnungsrechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen vorhalten können]).

Dagegen sind die Beklagten, welche die Baulast mit Erwerb ihres Grundstücks kraft Gesetzes aber auch ausdrücklich in ihrem Kaufvertrag übernommen haben, nicht schutzwürdig. Denn sie verletzen mit ihrem Verhalten nicht nur ihre Verpflichtung aus der Baulast gegenüber der Behörde, sondern hindern zugleich die Klägerin an der Ausübung der Rechte, die der Baulast entsprechen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06. Juli 2017 – 5 U 152/16 -, Rn. 69).

Bei der Bewertung des Verhaltens der Beklagten als rechtsmissbräuchlich war schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten mit der Baulast bzw. mit der ausdrücklichen Übernahme der Baulast erst die Voraussetzungen für die Entstehung und den Erwerb ihres Grundstückes geschaffen haben. Entsprechend haben die Beklagten viele Jahre die Überquerung durch die Klägerin hingenommen bis zu ihrem Ablehnungsschreiben vom 13.06.2012.

c.) Da sich der Anspruch der Klägerin aus Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB und aus § 242 BGB i.V.m. Baulast ergibt, kann offen bleiben, ob eine Duldung des Befahrens des Grundstücks der Beklagten durch die Klägerin (auch) auf ein Notwegerecht (§ 917 BGB) gestützt werden kann.

d.) Da der Hilfsantrag für den Fall gestellt ist, dass der Senat von einem Notwegerecht ausgeht, der Senat diese Frage aber offen gelassen hat, braucht über den Hilfsantrag nicht entschieden zu werden.

2.) Die Beklagten greifen das Urteil auch insoweit ohne Erfolg an, als gemäß Ziffer 3 des Tenors neben der Rodung auch die Entsorgung der Pflanzen und Bäume zu dulden ist.

Zwar hat die Klägerin nur die Duldung der Rodung, nicht auch die Duldung der Entsorgung beantragt (Klagschrift; Schriftsatz vom 6.11.2012). Der Senat folgt jedoch der Argumentation der Klägerin, dass die von dem Landgericht angeordnete Duldung der Entsorgung in ihren Antrag hineinzuinterpretieren war (Schriftsatz vom 6.03.2015, S.5 [Bl.245 d.A.]). Dass nach der Rodung der Pflanzen und Bäume auch deren Entsorgung erforderlich ist, ist offenkundig. Dass auch das Landgericht von dieser Überlegung ausgegangen ist, ergibt sich aus seiner Begründung zur Rodung: „Die Pflicht zur Gewährung eines Notwegerechts an der östlichen Grundstücksgrenze zieht zwangsläufig die Pflicht nach sich, die Rodung von Pflanzen und Bäumen im Bereich des Notweges zu dulden“. Eine Entscheidung über die Frage des Eigentums an den gerodeten Büschen und Bäumen war durch das Landgericht mit der angeordneten Duldung der Entsorgung ersichtlich nicht bezweckt.

3.) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist begründet. Denn wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, folgt dieser Anspruch daraus, dass die Beklagten vorprozessual den geltend gemachten und der Klägerin zugesprochenen Duldungspflichten ihre Anerkennung versagten und sich damit bei Beauftragung des klägerischen Prozessbevollmächtigten im Verzug befunden haben.

4.) Die auf § 717 Abs. 2 ZPO gestützten Anträge der Beklagten auf Verurteilung der Kläger zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von Euro 21.500,- und auf Feststellung, dass die Kläger verpflichtet sind, den Beklagten auch jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der aus der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils entsteht (Schriftsatz vom 17.02.2015), sind unbegründet.

Die Unbegründetheit der Anträge folgt bereits daraus, dass das Urteil des Landgerichts weder abgeändert noch aufgehoben wurde.

Was die Behauptung der Beklagten anbelangt, die Klägerin habe nicht nur in einer Breite von 3 m, sondern in einer Breite von 3,50 m durch das unterlassene Herstellen einer den Untergrund schützenden Baustraße das Grundstück der Beklagten hoch verdichtet, ist eine Anspruchsgrundlage für eine Neubepflanzung des 50 cm breiten Streifens unmittelbar neben der Zuwegung mit Bäumen nicht ersichtlich.

III.

1.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Niederschlagung der durch die Sachverständigenbegutachtung entstandenen Kosten gemäß § 21 GKG liegen nicht vor. Zwar hat sich die Beauftragung der Sachverständigen im Laufe des Berufungsverfahrens als überflüssig erwiesen, weil der Senat die Duldungsansprüche der Klägerin letztlich nicht auf ein Notwegerecht gestützt hat und es daher auch nicht auf eine Wertminderung des Grundstücks der Beklagten durch dieses Recht als Bemessungsgrundlage für die Zahlung einer Geldrente für das Notwegerecht ankam. In diesem Vorgehen des Senats ist aber keine Unrichtigkeit der Sachbehandlung im Sinne von § 21 GKG zu sehen. Der zunächst zuständige Einzelrichter hat die Beweiserhebung in Übereinstimmung mit dem Hilfsvorbringen der Beklagten angeordnet. Die zuletzt zuständige Einzelrichterin hat die Beweisaufnahme zunächst u.a. durch Anhörung der Sachverständigen fortgesetzt, hat dann aber ihren Rechtsstandpunkt überdacht. Das Gericht ist verpflichtet, seine Beurteilung bis zur Entscheidung ständig selbstkritisch zu prüfen (vgl. Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl., 2020, § 21 GKG Rz. 15). In einem Wechsel der Bewertung ist ein für die Nichterhebung von Kosten gemäß § 21 GKG erforderlicher offensichtlicher schwerer Fehler nicht zu sehen (OLG Koblenz, Beschluss vom 02. Juni 2008 – 14 W 323/08 -, Rn. 9; vgl. auch Hartmann/Toussaint, a.a.O., Rz. 21 „Beweisaufnahme“).

2.) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.) Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Gründe hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Soweit sich der Senat zur Begründung seiner Auffassung, die Klägerin könne das streitgegenständliche Zugangs- und Zufahrtsrecht mit Kraftfahrzeugen auch aus § 242 BGB i.V.m. der Baulast herleiten, auf das Urteil des OLG Hamm vom 06. Juli 2017, Az. 5 U 152/16, stützt, weicht er nicht von dem Urteil des BGH vom 24.01.2020 -V ZR 155/18- ab. Der Auffassung der Beklagten, der BGH habe mit diesem Urteil eine Herleitung einer grunddienstbarkeitsähnlichen Situation aus einer Baulast gerade nicht bestätigt, sondern im Gegenteil -zwischen den Zeilendas Ergebnis des OLG Hamm als nicht vertretbar erkannt, folgt der Senat nicht. Anders als der dem BGH-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ging es in dem der Entscheidung des OLG Hamm zugrunde liegenden Sachverhalt -wie auch im vorliegenden Fallnicht um Gewohnheitsrecht. Im Übrigen hat der BGH mit seinem im Zusammenhang mit einer Baulast ergangenen Urteil vom 09. Januar 1981 – V ZR 58/79 -, eine Abwehrmöglichkeit gegen das baulastwidrige Verhalten der dortigen Kläger angenommen und hat hierzu ausgeführt, es gehe nicht an, zur Frage des Rechtsmißbrauchs allein die privatrechtlichen Beziehungen der Parteien zu berücksichtigen, die öffentlichrechtliche Seite jedoch ganz außer Betracht zu lassen (BGH, Urteil vom 09. Januar 1981 – V ZR 58/79 -, Rn. 37).

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