Skip to content

Qualifizierter Mietspiegel Anfechtung: Mikrolage reicht nicht aus

Eine Berliner Vermieterin forderte eine hohe Miete und versuchte, den Qualifizierten Mietspiegel Anfechtung durch die exzellente Mikrolage ihrer Wohnung zu widerlegen. Obwohl die Top-Infrastruktur unbestreitbar war, reichten die Fakten nicht aus, um die starke gesetzliche Vermutung des Mietspiegels zu brechen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 65 S 116/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Berlin
  • Datum: 30.09.2025
  • Aktenzeichen: 65 S 116/25
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Mietrecht, Zivilprozessrecht

  • Das Problem: Eine Vermieterin forderte die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Mieter weigerten sich zuzustimmen. Die Vermieterin behauptete, der Berliner Mietspiegel 2024 sei fehlerhaft und berücksichtige die gute Lage der Wohnung nicht ausreichend.
  • Die Rechtsfrage: Darf das Gericht die ortsübliche Vergleichsmiete allein anhand des qualifizierten Berliner Mietspiegels feststellen? Muss das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen, wenn ein Vermieter methodische Fehler des Mietspiegels behauptet?
  • Die Antwort: Nein, die Berufung der Vermieterin wurde zurückgewiesen. Die derzeit gezahlte Miete übersteigt bereits die ortsübliche Vergleichsmiete. Der Berliner Mietspiegel 2024 ist ein qualifiziertes Dokument und muss als korrekte Grundlage verwendet werden. Die Vermieterin konnte die vermutete Richtigkeit des Mietspiegels nicht widerlegen.
  • Die Bedeutung: Der qualifizierte Berliner Mietspiegel löst eine starke Vermutung der Richtigkeit aus. Gerichte dürfen die Vergleichsmiete aufgrund des Mietspiegels schätzen und müssen in solchen Fällen kein teures Sachverständigengutachten beauftragen. Wer den Mietspiegel angreift, muss methodische Fehler konkret und belastbar beweisen.

Der Fall vor Gericht


Kann ein Vermieter den Berliner Mietspiegel kippen, weil er die „super Lage“ seiner Wohnung ignoriert?

Eine Vermieterin in Berlin-Neukölln wollte die Miete für ihre 99-Quadratmeter-Wohnung um 26,57 Euro anheben. Die Mieter weigerten sich. Der Fall landete vor Gericht und entwickelte sich zu einem Frontalangriff auf das Fundament der Berliner Mieten: den qualifizierten Mietspiegel 2024. Die Vermieterin argumentierte, das offizielle Zahlenwerk ignoriere die exzellente „Mikrolage“ ihrer Wohnung – die kurzen Wege zu U-Bahn, Supermärkten und Schulen. Ihre Klage zwang das Landgericht Berlin zu einer Grundsatzentscheidung: Wann ist ein wissenschaftlich erstellter Mietspiegel unantastbar und wann müssen Richter die Realität vor der Haustür höher bewerten?

Warum war das Schreiben der Hausverwaltung überhaupt ein Problem?

Die Mieterin hält den Mietspiegel und sucht Beweise, um die Ortsübliche Vergleichsmiete und die Mikrolage anzufechten.
Landgericht: Qualifizierter Berliner Mietspiegel entfaltet starke gesetzliche Vermutungswirkung. | Symbolbild: KI

Die Auseinandersetzung begann mit einem Schreiben, das mehrdeutig war. Die Hausverwaltung informierte die Mieter über eine „Mietanpassung zum 01.01.2024“. Das klang nach einer beschlossenen Sache, einer einseitigen Ansage. Ein Mieterhöhungsverlangen muss aber die Zustimmung der Mieter einholen, wie es das Bürgerliche Gesetzbuch in § 558 BGB vorschreibt.

Tief im dritten Absatz des Briefes fand sich die entscheidende Formulierung. Dort bat die Verwaltung „namens Ihrer Vermieterin“ um die erforderliche Zustimmung. Obwohl die Überschrift irreführte, wertete das Gericht diesen Satz als gültiges Zustimmungsverlangen. Die Mieter hatten auf das Schreiben reagiert, ohne die Form zu beanstanden. Das Gericht sah den formalen Fehler als geheilt an und wandte sich dem eigentlichen Streitpunkt zu – der Höhe der Miete.

Wie hat das Gericht die pauschale Kritik am Mietspiegel bewertet?

Die Vermieterin erhob „gravierende Bedenken“ gegen die Methodik des Berliner Mietspiegels 2024. Sie zweifelte die wissenschaftliche Grundlage der Tabellenwerte und der sogenannten Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung an. Das Landgericht ließ diese pauschale Kritik ins Leere laufen.

Der Berliner Mietspiegel 2024 ist ein „Qualifizierter Mietspiegel“ nach § 558d BGB. Das bedeutet, er wurde nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Stadt Berlin sowie von Mieter- und Vermieterverbänden anerkannt. Ein solcher Mietspiegel entfaltet eine starke Gesetzliche Vermutungswirkung. Das Gesetz geht davon aus, dass die darin genannten Werte die ortsübliche Vergleichsmiete korrekt widerspiegeln.

Wer diese Vermutung widerlegen will, trägt die volle Beweislast. Er muss dem Gericht nicht nur Zweifel präsentieren, sondern handfeste, substantiierte Fehler in der Datenerhebung oder der statistischen Auswertung nachweisen (§ 292 Zivilprozessordnung). Die Vermieterin lieferte genau das nicht. Ihre Einwände blieben Behauptungen ohne konkrete Belege. Das Gericht fand in der offiziellen Dokumentation zum Mietspiegel ein schlüssiges, wissenschaftliches Vorgehen und sah keinen Anlass, an der Expertise der beteiligten Institute und Verbände zu zweifeln.

Weshalb zählten die Argumente zur Top-Infrastruktur am Ende nicht?

Der Kern des Angriffs der Vermieterin war die angebliche Ignoranz des Mietspiegels gegenüber der hervorragenden Infrastruktur der Wohnung. Drei Gehminuten zum U- und S-Bahnhof Hermannstraße, diverse Buslinien, Supermärkte, Drogerie, Ärzte und Schulen in unmittelbarer Nähe – diese Fakten sollten belegen, dass die Wohnung besser ist als der Mietspiegel suggeriert.

Hier lag ihr Denkfehler. Das Gericht stellte klar, dass genau diese Faktoren bereits in die Erstellung des Mietspiegels eingeflossen sind. Die Experten der Arbeitsgruppe Mietspiegel hatten im Vorfeld eine sogenannte Diskriminanzanalyse durchgeführt. Sie prüften eine Vielzahl von Lage-Indikatoren – darunter die Distanz zu Bahnhöfen, Bussen und urbanen Zentren. Diese Merkmale sind Teil des komplexen Modells, das eine Wohnung einer bestimmten Wohnlage zuordnet. Die Top-Anbindung war also kein übersehenes Detail, sondern bereits im System berücksichtigt und eingepreist.

Für einen zusätzlichen Aufschlag hätte die Vermieterin nachweisen müssen, dass die Lage ihrer Wohnung „vom Durchschnitt vergleichbarer Wohnungen in derselben Wohnlage wesentlich abweicht“ (§ 19 Abs. 4 Mietspiegelverordnung). Dafür genügte es nicht, Gehminuten aufzuzählen. Sie hätte einen konkreten Vergleichsmaßstab liefern müssen – was sie nicht tat.

Musste das Gericht nicht zwingend einen teuren Gutachter bestellen?

Die Vermieterin forderte die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um den wahren Wert ihrer Wohnung zu beweisen. Das Gericht lehnte ab und stützte sich dabei auf eine klare Linie des Bundesgerichtshofs. Ein Gericht darf die Miete schätzen, wenn ein qualifizierter Mietspiegel mit einer schlüssigen Orientierungshilfe für die Einordnung innerhalb der Preisspanne vorliegt (§ 287 Zivilprozessordnung).

Die Einholung eines Gutachtens wäre ein unverhältnismäßiger Aufwand gewesen. Die Kosten für einen Sachverständigen hätten den umstrittenen Erhöhungsbetrag von 26,57 Euro bei Weitem überstiegen. Die Richter entschieden im Sinne der Prozessökonomie: Das vorhandene, wissenschaftlich fundierte Instrument des Mietspiegels war eine ausreichend verlässliche Schätzgrundlage. Die Berufung der Vermieterin wurde zurückgewiesen. Sie musste die Kosten des Verfahrens tragen.

Die Urteilslogik

Der qualifizierte Mietspiegel bildet die unantastbare Basis zur Bestimmung der ortsüblichen Miete, solange keine substanziellen methodischen Fehler nachweisbar sind.

  • Unantastbarkeit des qualifizierten Mietspiegels: Wer einen qualifizierten Mietspiegel anfechten will, muss konkrete wissenschaftliche oder methodische Mängel in der Datenerhebung substanziiert nachweisen; allgemeine Zweifel oder bloße Behauptungen genügen nicht, um die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit zu widerlegen.
  • Infrastruktur gilt als eingepreist: Die hervorragende Mikrolage einer Wohnung, wie kurze Wege zu Verkehrsmitteln und Nahversorgung, rechtfertigt keine zusätzliche Mieterhöhung, da diese Faktoren bereits in das komplexe Modell zur Einordnung der Wohnlage einfließen.
  • Schätzung vor teurem Gutachten: Gerichte dürfen zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete die Werte eines schlüssigen Mietspiegels als Schätzgrundlage heranziehen und müssen kein teures Sachverständigengutachten einholen, wenn dessen Kosten den Streitwert unverhältnismäßig übersteigen.

Die Prozessökonomie und die wissenschaftliche Fundierung des Mietspiegels sichern die Verlässlichkeit und Effizienz der gerichtlichen Mietpreisprüfung.


Benötigen Sie Hilfe?


Müssen Sie die Richtigkeit des qualifizierten Mietspiegels beweisen oder widerlegen?
Lassen Sie sich zu den Erfolgsaussichten Ihrer Sache professionell beraten.


Experten Kommentar

Viele Vermieter sind der Meinung, die eigene Wohnung sei immer etwas besser als der Durchschnitt. Dieses Urteil macht jedoch eine klare Ansage: Der qualifizierte Mietspiegel ist kein Vorschlag, sondern ein methodisch fundiertes Bollwerk. Wer diese Basis angreifen will, muss nicht subjektive Top-Vorteile wie U-Bahn-Nähe aufzählen, sondern handfeste Fehler in der Datenerhebung der Stadt nachweisen. Die Beweislast dafür ist extrem hoch und macht eine Anfechtung wegen kleinerer Mietdifferenzen strategisch sinnlos, da das Gericht nicht gezwungen ist, für jede Bagatelle ein teures Sachverständigengutachten einzuholen.


Informationsgrafik zu FAQ Mietrecht mit Waage, Buch und dem Schriftzug "Häufig gestellte Fragen".

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann mein Vermieter den qualifizierten Mietspiegel wegen der besseren Lage meiner Wohnung anfechten?

Allgemeine Argumente zur Top-Infrastruktur reichen nicht aus, um einen qualifizierten Mietspiegel anzufechten oder eine höhere Miete zu begründen. Solche Lagevorteile, etwa die kurze Distanz zu U-Bahnen, Schulen oder Einkaufsmöglichkeiten, sind bei der Erstellung des Mietspiegels bereits im System berücksichtigt worden. Sie gelten daher nicht als zusätzlicher Grund für einen Aufschlag.

Mietspiegel-Experten führen bei der Datenerhebung komplexe Analysen durch, darunter die sogenannte Diskriminanzanalyse. Dieses statistische Modell prüft im Vorfeld eine Vielzahl von Lage-Indikatoren. Die Ergebnisse dieser Prüfung dienen dazu, die Wohnung der korrekten, entsprechenden Wohnlage zuzuordnen. Da die gute Anbindung somit bereits in der initialen Kategorisierung enthalten ist, kann die einfache Aufzählung von Gehminuten das Gericht nicht von einem gesonderten Wert überzeugen.

Um eine Mieterhöhung trotz Mietspiegel zu rechtfertigen, müssen Vermieter nachweisen, dass die Lage der spezifischen Wohnung „vom Durchschnitt vergleichbarer Wohnungen in derselben Wohnlage wesentlich abweicht“ (§ 19 Abs. 4 Mietspiegelverordnung). Die bloße Behauptung, die Infrastruktur sei besser als die aller anderen Vergleichswohnungen, genügt dafür nicht. Konkret: Eine Vermieterin in Berlin scheiterte vor Gericht, da sie nur allgemeine Vorteile anführte, statt einen konkreten Beweis für eine signifikante Abweichung vom Mittelwert zu liefern.

Konzentrieren Sie Ihre Argumentation daher auf wohnwertsteigernde Details der Wohnungsausstattung, die über den Standard hinausgehen und die Spanneneinordnung rechtfertigen.


zurück zur FAQ Übersicht

Wie kann ich die gesetzliche Vermutungswirkung des Mietspiegels gerichtlich widerlegen?

Die Widerlegung der Vermutungswirkung eines qualifizierten Mietspiegels ist extrem anspruchsvoll. Sie müssen dem Gericht nicht nur pauschale Zweifel vorlegen, sondern handfeste, substantiierte Fehler in der wissenschaftlichen Methodik nachweisen. Der Gesetzgeber hat dem qualifizierten Mietspiegel (§ 558d BGB) eine sehr hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen.

Der qualifizierte Mietspiegel entfaltet eine starke gesetzliche Vermutung, dass die darin genannten Werte die ortsübliche Vergleichsmiete korrekt widerspiegeln. Wer diese Vermutung erschüttern will, trägt die volle Beweislast gemäß § 292 Zivilprozessordnung. Sie müssen nachweisen, dass die Datenerhebung fehlerhaft war oder dass die statistische Auswertung gegen anerkannte wissenschaftliche Grundsätze verstieß. Richter lassen reine Behauptungen oder subjektive Bedenken zur Höhe der Miete ins Leere laufen.

Konkret müssen Sie die offizielle Dokumentation des Mietspiegels kritisch prüfen und gezielt methodische Schwächen finden. Beispielsweise kann eine fehlerhafte Stichprobenziehung oder eine mangelnde Repräsentativität der berücksichtigten Wohnungen die Basis für ein wissenschaftliches Gegengutachten bilden. Das Gericht akzeptiert Argumente wie „Meine Nachbarn zahlen mehr“ oder allgemeine Kritik an der Mietentwicklung nicht als Ersatz für diesen strengen Gegenbeweis zur Methodik des qualifizierten Mietspiegels.

Recherchieren Sie detailliert die Methodik-Dokumentation Ihres Mietspiegels, um die Basis für ein substanziiertes wissenschaftliches Gegengutachten zu schaffen.


zurück zur FAQ Übersicht

Ist die exzellente Mikrolage meiner Wohnung (U-Bahn, Schulen) bereits im Mietspiegel berücksichtigt?

Ihre Annahme, dass die Nähe zu U-Bahnen, Schulen oder Einkaufsmöglichkeiten einen automatischen Aufschlag rechtfertigt, ist juristisch meist nicht haltbar. Diese offensichtlichen Pluspunkte sind in der Regel bereits vollständig im System des Mietspiegels berücksichtigt. Spezifische Lagefaktoren dienen primär dazu, die Wohnung der korrekten, übergeordneten Wohnlage zuzuordnen. Die Vorteile der Top-Infrastruktur sind damit schon im Preisband der betreffenden Wohnlage enthalten.

Die Experten der Mietspiegel-Arbeitsgruppen untersuchen vorab eine Vielzahl von sogenannten Lage-Indikatoren. Sie verwenden komplexe statistische Verfahren wie die Diskriminanzanalyse, um zu ermitteln, welche Infrastrukturmerkmale den Mietpreis tatsächlich beeinflussen. Distanzen zu Verkehrsknotenpunkten, Freizeitmöglichkeiten und urbanen Zentren fließen so in das Grundmodell ein. Dadurch ist die allgemeine Mikrolage bereits bei der initialen Einordnung der Wohnung in die Mietspannen „eingepreist“.

Eine nachträgliche Geltendmachung von kurzen Gehminuten zur U-Bahn oder zur Schule führt vor Gericht in der Regel zum Vorwurf der Doppelzählung. Solche Argumente zählen nicht als Nachweis für eine überdurchschnittliche Miete. Ein zusätzlicher Aufschlag ist nur möglich, wenn die tatsächliche Lage Ihrer Wohnung wesentlich vom Durchschnitt der bereits zugeordneten Vergleichswohnungen abweicht (§ 19 Abs. 4 Mietspiegelverordnung). Diesen hohen Nachweis müssen Sie mit substantiierten Belegen führen.

Konzentrieren Sie Ihre Argumentation daher auf wohnwertsteigernde Merkmale der Wohnung selbst (z.B. Zustand, Modernisierungen), die laut Orientierungshilfe einen Zuschlag ermöglichen.


zurück zur FAQ Übersicht

Wann muss das Gericht im Mieterhöhungsverfahren zwingend einen teuren Sachverständigen bestellen?

Die Bestellung eines externen Sachverständigen ist die Ausnahme, nicht die Regel im Mieterhöhungsverfahren. Das Gericht ist nicht verpflichtet, ein Gutachten einzuholen, wenn bereits ein qualifizierter Mietspiegel existiert. Dieser Mietspiegel gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ausreichende und verlässliche Schätzgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete.

Richter stützen sich dabei auf die gerichtliche Schätzbefugnis nach § 287 ZPO. Sie dürfen die angemessene Miete selbst bestimmen, solange der Mietspiegel wissenschaftlich fundiert ist und eine schlüssige Orientierungshilfe zur Einordnung innerhalb der Preisspanne bietet. Der qualifizierte Mietspiegel (§ 558d BGB) genießt eine starke Vermutungswirkung. Die Gerichte nutzen die vorhandenen Daten im Sinne der Prozessökonomie; die Einholung eines Gutachtens ist daher nur ultima ratio, wenn diese primäre Schätzbasis fehlt.

Eine zwingende Gutachtenpflicht entsteht nur dann, wenn der qualifizierte Mietspiegel selbst erfolgreich in seiner wissenschaftlichen Grundlage widerlegt wurde oder wenn in der betroffenen Gemeinde gar kein solcher Spiegel verfügbar ist. Darüber hinaus berücksichtigt das Gericht stets die Verhältnismäßigkeit: Übersteigen die hohen Gutachterkosten den umstrittenen Erhöhungsbetrag (Streitwert) bei Weitem, lehnen Richter die Bestellung in der Regel wegen Unverhältnismäßigkeit ab.

Möchten Sie trotz Mietspiegel ein Gutachten erreichen, müssen Sie dezidiert die fehlende Präzision der Spanneneinordnung im Einzelfall begründen und es als sekundäres Beweismittel verlangen.


zurück zur FAQ Übersicht

Was passiert, wenn mein Mieterhöhungsverlangen Formfehler enthält, aber der Mieter reagiert hat?

Wenn Ihr Mieterhöhungsverlangen formale Mängel aufweist, aber der Mieter dennoch inhaltlich reagiert, kann der Fehler als geheilt gelten. Entscheidend ist, dass das Schreiben trotz eines Mangels (wie einer irreführenden Überschrift) die zentrale Bitte um Zustimmung klar erkennbar enthielt. Dadurch erkennt das Gericht an, dass der Mieter den eigentlichen Zweck des Schreibens verstanden hat und nicht irregeführt wurde.

Nach § 558 BGB muss der Vermieter zwingend die Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung einholen. Liegt im Text diese eindeutige Bitte vor, überwiegt die inhaltliche Klarheit den formalen Mangel. Gerichte stufen einen reinen Formfehler, wie eine falsche Betreffzeile oder eine unsaubere Formulierung im Betreff, als heilungsbedürftigen Formmangel ein. Reagiert der Mieter auf den Inhalt, ohne die fehlerhafte Form zu beanstanden, ist der Mangel geheilt.

Diese Heilung ermöglicht es dem Gericht, den eigentlichen Streitpunkt der Miethöhe zu prüfen, anstatt das Verfahren aufgrund formaler Mängel zurückzuweisen. Die Heilung tritt aber nur bei sekundären Formfehlern ein. Fehlt die Bitte um Zustimmung vollständig und stellt das Schreiben die Erhöhung als bereits beschlossene Anweisung dar, ist das Verlangen unwirksam. Solch ein zentraler Mangel kann durch die Reaktion des Mieters nicht korrigiert werden.

Prüfen Sie sofort, ob Ihr Schreiben (unabhängig von der Überschrift) den zentralen Satz enthält: „Wir bitten Sie um die erforderliche Zustimmung zur Mieterhöhung.“


zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Waage, Richterhammer und ein Buch veranschaulichen das Glossar Mietrecht mit einfach erklärten Fachbegriffen.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Beweislast

Wer in einem Zivilprozess die Beweislast trägt, muss die Tatsachen beweisen, die für seinen Anspruch oder seine Verteidigung wesentlich sind, sonst verliert er den Rechtsstreit. Das Zivilprozessrecht ordnet klar zu, welche Partei welche Behauptungen dem Gericht substanziiert darlegen und belegen muss, um das Verfahren entscheidbar zu machen.

Beispiel: Die Vermieterin trug die volle Beweislast, um dem Gericht nachzuweisen, dass der Berliner Mietspiegel 2024 methodische Mängel aufwies oder ihre Wohnung wesentlich vom Durchschnitt vergleichbarer Wohnungen abwich.

Zurück zur Glossar Übersicht

Diskriminanzanalyse

Die Diskriminanzanalyse ist ein komplexes statistisches Modell, das bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel verwendet wird, um zu prüfen, welche Infrastrukturmerkmale eine Wohnung der korrekten Wohnlage zuordnen. Mithilfe dieser Analyse stellen die Experten sicher, dass objektive Lagevorteile wie die Distanz zu Verkehrsknotenpunkten bereits wissenschaftlich fundiert in die Mietspanne eingepreist sind.

Beispiel: Die Experten der Arbeitsgruppe Mietspiegel hatten mittels der Diskriminanzanalyse ermittelt, dass die Nähe zum U-Bahnhof Hermannstraße bereits in der Kategorisierung der Wohnlage berücksichtigt war.

Zurück zur Glossar Übersicht

Formfehler geheilt

Formfehler geheilt beschreibt im Mietrecht die Situation, in der ein formal mangelhaftes Mieterhöhungsverlangen seine Gültigkeit erlangt, weil der Mieter auf den Inhalt reagiert hat, ohne den Fehler zu beanstanden. Juristen legen Wert darauf, dass der Wille des Vermieters und das Verständnis des Mieters zählen; die inhaltliche Klarheit überwiegt somit einen sekundären Formmangel.

Beispiel: Obwohl die Überschrift des Schreibens irreführend war, galt der Formfehler als geheilt, da die Mieter auf die im dritten Absatz formulierte Bitte um die erforderliche Zustimmung reagiert hatten.

Zurück zur Glossar Übersicht

Gerichtliche Schätzbefugnis (§ 287 ZPO)

Die gerichtliche Schätzbefugnis erlaubt Richtern gemäß § 287 Zivilprozessordnung, die Höhe der ortsüblichen Miete selbst festzusetzen, wenn sie eine hinreichend verlässliche Basis dafür nutzen können, etwa einen qualifizierten Mietspiegel. Dieses Ermessen ist wichtig, weil es dem Gericht ermöglicht, in Fällen mit klaren Daten auf teure und zeitaufwendige Sachverständigengutachten zu verzichten.

Beispiel: Das Landgericht stützte seine Entscheidung auf die gerichtliche Schätzbefugnis und konnte die Miete aufgrund des qualifizierten Mietspiegels festsetzen, ohne einen teuren Sachverständigen beauftragen zu müssen.

Zurück zur Glossar Übersicht

Gesetzliche Vermutungswirkung

Die Gesetzliche Vermutungswirkung ist eine starke juristische Annahme, die besagt, dass die Werte eines qualifizierten Mietspiegels die ortsübliche Vergleichsmiete in der Regel korrekt und wahrheitsgemäß abbilden. Der Gesetzgeber spricht dem wissenschaftlich erstellten qualifizierten Mietspiegel eine hohe Glaubwürdigkeit zu, wodurch die Werte als gesichert gelten, solange sie nicht substantiiert widerlegt werden.

Beispiel: Die Vermieterin scheiterte mit ihrer pauschalen Kritik am Mietspiegel, weil sie die starke gesetzliche Vermutungswirkung nicht durch den Nachweis konkreter Fehler in der Methodik erschüttern konnte.

Zurück zur Glossar Übersicht

Prozessökonomie

Unter dem Grundsatz der Prozessökonomie müssen Gerichtsverfahren zeitsparend und wirtschaftlich ablaufen, um unnötigen Aufwand und überzogene Kosten für die beteiligten Parteien zu vermeiden. Richter sollen immer die Verhältnismäßigkeit wahren und prüfen, ob die Kosten eines Beweismittels, beispielsweise eines Gutachtens, den tatsächlichen Streitwert übersteigen.

Beispiel: Aus Gründen der Prozessökonomie lehnte das Gericht die Forderung nach einem Gutachten ab, da dessen Kosten den strittigen Erhöhungsbetrag von nur 26,57 Euro bei Weitem überschritten hätten.

Zurück zur Glossar Übersicht

Qualifizierter Mietspiegel

Ein Qualifizierter Mietspiegel ist ein nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstelltes offizielles Verzeichnis der ortsüblichen Vergleichsmieten, das gemäß § 558d BGB eine besonders hohe Beweiskraft im Streitfall besitzt. Diese Art von Mietspiegel wird von den Kommunen sowie von Interessenverbänden von Mietern und Vermietern anerkannt und dient Richtern als primäre Schätzgrundlage.

Beispiel: Die Vermieterin versuchte, den qualifizierten Mietspiegel 2024 anzugreifen, weil sie glaubte, dass dieser die Top-Infrastruktur ihrer Wohnung in Berlin-Neukölln ignoriere.

Zurück zur Glossar Übersicht



Das vorliegende Urteil


LG Berlin II – Az.: 65 S 116/25 – Urteil vom 30.09.2025


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!